Publiziert am: 14.08.2020

Die Meinung

Nervosität in den Konzernen steigt

Noch bevor die Diskussion zu den Abstimmungen vom letzten September-Sonntag richtig läuft, lancieren die Grossunternehmungen rund um economiesuisse bereits die Abstimmung zur Konzernverantwortungs-Initiative, die Ende November an die Urne kommt. Das lässt aufhorchen – die Nervosität in den Konzernzentralen scheint zuzunehmen.

Zum Sujet: Statt einer Katze beisst sich ein Bernhardinerhund in den eigenen Schwanz, dazu der Slogan «Helfen ja, aber doch nicht so!». Geworben wird für ein Nein zur Konzernverantwortungs-Initiative. Das Anliegen sei berechtigt, schiesse aber über das Ziel hinaus. Es gehe um das «Miteinander». Tatsächlich?

Zum Narrativ: Die KMU würden die Folgen am meisten spüren, wird behauptet. Mit Verlaub, das ist Unsinn. Impliziert wird, das Wohlergehen der KMU hänge von den Grosskonzernen ab. Die Statistik des Bundes spricht jedoch eine andere Sprache. KMU verantworten etwa 50 Prozent des Aussenhandelsvolumen. Die Wertschöpfung der KMU liegt bei 60 Prozent.

Wie viel die Grosskonzerne vom «Miteinander» halten, darf auch mit Blick auf die vergan­genen Covid-Monate kritisch hinterfragt werden. Zu denken ist etwa an die Grossverteiler, die – ohne Rücksicht auf die KMU-Detaillisten und die Verordnung des Bundes – lange Zeit ihre gesamte Sortimentsbreite angeboten haben. In Genf wurde die Migros deswegen gar vor den Kadi gebracht. Zu denken ist an den sich im deutschen Besitz befindenden Luftfahrtkonzern Swiss. Private wie auch Reisebüros wurden und werden quasi als «Bank» missbraucht, Kundenguthaben nicht zurückgezahlt, um die eigene Liquidität zu sichern. Dass dies die Existenz von kleinen Reisebüros gefährdet, scheint die Swiss nicht weiter zu interessieren.

Auch auf politischer Ebene lässt dass «Miteinander» zu wünschen übrig. So beschloss economiesuisse beim Referendum zu den Kinderdrittbetreuungskosten Stimmfreigabe, obwohl die Vorlage im parlamentarischen Prozess noch unterstützt wurde. Taktischer Goodwill gegenüber dem linken Lager zwecks einiger Nein-Stimmen zur Konzernverantwortungs-Initiative? Der sgv beschloss die Ja-Parole. Weil Eltern dreifach ungerecht hoch vom Staat zur Kasse gebeten werden: durch die Steuerprogression, durch den hohen Betreuungstarif der Kitas und aufgrund des nach oben begrenzten Betreuungskostenabzugs. Und weil in weit über 50 Prozent der KMU-Familienbetriebe Frauen mitarbeiten und auf politischen Support angewiesen sind.

Vor den Sommerferien interpellierten gleich drei Exponenten von economiesuisse bei der sgv-Verbandsleitung. Gewünscht wurde eine umgehende Stellungnahme zur Konzernverantwortungs-Initiative. Irritierend dabei die Bemerkung, wir sollten es nicht darauf abkommen lassen, dass von aussen Druck gemacht werden müsse ... Nun ist es im sgv so, dass für die Parolenfassung einzig und allein die Gewerbekammer zuständig ist. Dieses eigentlich selbstverständliche Vorgehen entspricht dem demokratischen Verständnis innerhalb des grössten Dachverbandes der Schweizer Wirtschaft.

Fernab der Golfplätze hängen überall die orangen Fahnen «Konzernverantwortungs-Initiative Ja!» an Fenstern und Gartenzäunen. Die Nervosität in den Konzernzentralen ist deshalb berechtigt. Was nun also nottut, sind Exponenten, die sich aus ihren klimatisierten Büros hinaus zum Volk wagen und im direkten Kontakt die Vorlage erläutern. Dazu braucht es Glaubwürdigkeit und gute Argumente, keine Drohungen. Sonst könnte die Übung ins Auge gehen.

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