Publiziert am: 02.10.2020

«Noch dreht das Karussell ...»

SCHWEIZERISCHER MARKTVERBAND – Die Lage ist ernst in der Branche. Doch der Verband setzt alle Hebel in Bewegung, um ein ewiges Lichterlöschen zu verhindern, damit das Kulturgut Jahrmarkt auch in Zukunft Bestand hat. Ziel und Herausforderung sind eine national breit abgestützte Lobby.

Gerade jetzt in der bald kälteren Jahreszeit sind die verschiedenen Herbst- und Adventsmärkte mit ihrer einzigartigen Atmosphäre der grosse Publikumsmagnet – wenn sie denn stattfinden würden. Weder Warenhäuser, Shoppingcenter noch Online­shopping haben den Markt als Urform des Handels in der heutigen schnelllebigen Zeit verdrängen können. «Früher diente der Warenmarkt der Grundversorgung in ländlichen Gegenden, während heute der kulturelle Aspekt im Vordergrund steht», erklärt Jürg Diriwächter, Präsident des Schweizer Marktverbandes. Und er doppelt nach: «Waren- und Jahrmärkte sind ein Einkaufserlebnis unter freiem Himmel. Dabei haben die Markthändler den direkten Kontakt zu Kundinnen und Kunden und können so deren Bedürf­nissen nachkommen. Dies bedingt allerdings, dass unsere Mitglieder bezüglich Markthandel immer auf dem neusten Stand sind.»

Gerade mit der zunehmenden Digitalisierung bekommen Märkte wieder eine neue Bedeutung. Der soziale Aspekt, der sogenannte Service publique, spielen eine wichtige Rolle. Der Markt ist ein zentraler Ort, wo der Mensch im Mittelpunkt steht. Diriwächter, selber ein leidenschaftlicher Marktfahrer, sieht den Markt noch als ein Ganzes: «Häufig kommt zum speziellen Einkaufserlebnis die Unterhaltung mit Chilbibetrieb.» Wie die meisten Marktfahrer führt auch er seinen Beruf leidenschaftlich aus: «Von uns wird nicht nur qualitativ hervorragende Arbeit verlangt, wir sind auch Seelsorger und Ratgeber.» In einer am stärksten kontrollierten Branche ist Qualität und sorgfältiges Arbeite ein überlebenswichtiges Gütesiegel. «Wir sind von unserem Ruf abhängig, eine gute Mund-zu-Mund-Bewerbung sichert unser langfristiges Überleben.» Trotz seiner Faszination für den Markthandel will Diriwächter sein Metier nicht glorifizieren: «Wir arbeiten sehr hart. Es gibt oft sehr lange Anfahrtswege, dann gilt es Ware einladen, ausladen und den Abbruch besorgen. Zusammen mit Warenbewirtschaftung, Buchhaltung und anderen Büroarbeiten ergibt das eine grosse Belastung – ein 14-Stunden-Arbeitstag ist für viele von uns keine Ausnahme.» Ebenso sollten sich Marktfahrer regelmässig weiterbilden, beispielsweise in Seminaren der Marktbehörden zu neuen Vorschriften oder im Bereich der Arbeitssicherheit.

Krise als Chance nutzen

Der Verband setzt sich gerade in der Corona-bedingt äusserst schwierigen Situation (vgl. Nebenartikel) mit grossem Engagement für die Mitgliederanliegen ein und sorgt dafür, dass das «Zmärit ga» weiterhin bestehen bleibt. Obwohl die ortsansässige Bevölkerung und die Behörden dem Markt gegenüber wohlwollend gesinnt sind, muss sich der Verband dafür stark machen, dass die Rahmenbedingungen nicht schlechter werden. Dazu gehört der Kampf für zahlbare Standgebühren genauso wie die Verhinderung von weltfremden bürokratischen Vorschriften. «Wir fordern gleichlange Spiess für alle – das heisst wir wollen gleich behandelt werden wie beispielsweise Shoppingcenter», konkretisiert Diriwächter. Allerdings ist es gemäss dem SMV-Präsidenten oft eine Herausforderung, Bund und Kantone von den Bedürfnissen und Forderungen des Marktgewerbe zu überzeugen. «Wir haben auf nationaler ­Ebene keine Lobby. Das mussten wir in der aktuellen Corona-Krise einmal mehr feststellen.»

«Ein 14-Stunden-ARbeitstag ist keine Ausnahme»

Dennoch fordert Diriwächter seine Berufskolleginnen und -kollegen auf, die Krise als Chance zu nutzen und durchzuhalten: «Unser kulturelle Tradition muss allen Widerwärtigkeiten zum Trotz weiterleben.» Der Verband will den Kontakt zu den örtlichen Marktbehörden, welche die Standplätze vergeben, weiterpflegen und noch verbessern, um optimale Voraussetzungen für die Präsentation die Angebote seiner Mitglieder zu erhalten. «Grundsätzlich wollen wir uns in der Politik und der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit für unseren Berufsstand verschaffen – so auch im Schweizerischen Gewerbeverband sgv, dem wir als Mitglied angehören und mit dem wir gut zusammenarbeiten.» Und er ist zuversichtlich, «noch dreht das Karussell trotz Corona».Corinne Remund

www.smv.ch

DAS MACHT DER SMV

Eine Stimme bei den Behörden

Vor 100 Jahren waren die Marktfahrer auf die Hilfe der Spediteure und der Eisenbahn angewiesen, um ihr Verkaufsgut an die Märkte zu bringen. Jedoch die Kosten für diese Dienste scheinen auszuufern, und einige Markthändler kamen zur Einsicht, diesen Missstand gemeinsam anzugehen. Dies war die Gründungsstunde des Schweizerischen Marktverbandes SMV. Er wurde am 17. Juni 1910 aus der Taufe gehoben. Die primäre Aufgabe des Verbandes ist es, den Mitgliedern eine Stimme gegen aussen zu geben – bei Behörden, auf politischer Ebene und bei den Mitbewerbern. Dazu ist der Verband gut vernetzt mit anderen Vereinen, Verbänden, Organisationen und Institutionen. Rechtliche Stellungnahmen zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen, die die Marktfahrer direkt betreffen, gehören ebenso zum Aufgabenbereich wie die Erhaltung des Kulturgutes Markt.

Der Verband zählt rund 650 aktive Mitglieder. Dazu gehören von Kleinstunternehmern über KMU bis zu AG- oder GmbH-Besitzer. Rund 2700 Personen sind im Markthandel beschäftigt. Die Branche generiert mit allen Teilzeitarbeitenden und Stundenlöhnern rund 4900 Arbeitsplätze und macht einen jährlichen Umsatz von 312 Millionen Franken. CR

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