Publiziert am: 05.02.2021

«Nützt beiden Seiten»

FREIHANDEL SCHWEIZ-INDONESIEN – Ein Scheitern des Frei­handels­ab­kommens wäre eine verpasste Chance für die Schweizer Wirtschaft – in schwierigen Zeiten doppelt schade, findet Wirtschaftsminister Guy Parmelin.

Schweizerische Gewerbezeitung: Welche neuen Exportmöglich­keiten für Schweizer Produkte ergeben sich aus dem Freihandelsabkommen mit Indonesien?

Bundesrat Guy Parmelin: In den letzten Jahren haben Schweizer Unternehmen in erster Linie Maschinen, chemische Produkte, pharmazeutische Erzeugnisse und optische und medizinische Instrumente nach Indonesien exportiert. Das Abkommen beseitigt die Zölle auf allen wichtigen Schweizer Exporten und sorgt dafür, dass Schweizer Unternehmen auf dem indonesischen Markt gegenüber Konkurrenten aus Drittländern noch wettbewerbsfähiger werden.

Neben den Vorteilen bei den Industrieprodukten bringt das Abkommen auch einen besseren Marktzugang für landwirtschaftliche Produkte wie z. B. Schokolade, Käse und andere Milchprodukte.

Umgekehrt gefragt: Welche ­Chancen bietet das Abkommen den Indonesiern?

Wie in anderen ähnlichen Abkommen beseitigt die Schweiz die Zölle auf Importe von indonesischen Industriegütern. Dies gilt auch für die für Indonesien wichtigen Textilien, bei denen heute unter dem Präferenzsystem für Entwicklungsländer keine Zollbefreiung vorgesehen ist. Auch für gewisse Agrarprodukte von besonderen Interesse für Indonesien, z. B. tropische Früchte, baut das Abkommen die Zölle ab. Im Agrarbereich ist aber kein Freihandel vorgesehen: Die vom Abkommen begünstigten Produkte stellen keine Konkurrenz für einheimische Erzeugnisse dar. Das Abkommen erhöht auch die Attraktivität Indonesiens für Schweizer Investitionen, was zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Indonesien beitragen kann.

Schliesslich gilt es hervorzuheben, dass das Abkommen auch eine Intensivierung der bestehenden ­Zusammenarbeit mit Indonesien vorsieht: Im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit unterstützt die Schweiz Indonesien dabei, ein langfristiges und nachhaltiges Wachstum zu fördern, insbesondere auch im Palmölbereich. Dies kommt der gesamten Bevölkerung zugute und schützt die natürlichen Ressourcen des Landes.

Die hiesigen Gegner des Abkommens schüren die Angst, dass die Schweiz von billigen und umweltzerstörenden Produkten aus Indonesien überschwemmt werde. Was antworten Sie ihnen?

Diese Kritik konzentriert sich vor allem auf Palmöl. Hier haben wir im Abkommen aber vorgesorgt: Erstens werden die Zölle auf indonesisches Palmöl nicht eliminiert, sondern nur moderat (um rund 20 bis 40 Prozent) gesenkt. Zweitens gilt dies nur innerhalb beschränkter Kontingente von höchstens 12 500 Tonnen pro Jahr – ein Rahmen, der vorgängig mit der Branche ausgelotet wurde. Dabei ist das Teilkontingent für rohes Palmöl, das im Wettbewerb zu einheimischem Pflanzenöl stehen könnte, auf lediglich 1250 Tonnen pro Jahr beschränkt. Und schliesslich können die Importeure nur dann von diesen Zollsenkungen profitieren, wenn sie nachweisen, dass das Palmöl nachhaltig produziert wurde. Mit dieser Lösung stellen wir nicht nur sicher, dass unsere Raps- und Sonnenblumenölproduzenten durch das Abkommen keine Nachteile erfahren. Wir sorgen auch dafür, dass diese Konzessionen keine nachteiligen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben, und setzen konkrete Anreize für eine nachhaltigere Palmölproduktion in Indonesien.

Die Befürworter werfen den Gegnern des Freihandels­abkommens vor, sich «mit einer Art Tunnelblick» einzig auf das Palmöl zu fokussieren. Wie wollen Sie diese Bedenken der Grünen und der ganz linken Seite ausräumen?

Es ist tatsächlich so, dass es sich hier um ein umfassendes Abkommen handelt, das einen wichtigen Impuls für die Schweizer Exportwirtschaft darstellt. Es wäre falsch, die Diskussion nur auf die Palmölfrage zu reduzieren. Insbesondere wenn man sich vor Augen führt, dass die Schweiz 2019 nur gerade 35 Tonnen Palmöl aus Indonesien eingeführt hat. Das sind nur rund 0,1 Prozent der gesamten Palmöleinfuhren in die Schweiz.

Den Bedenken bezüglich der ökologischen und sozialen Auswirkungen der Palmölproduktion trägt das Abkommen zudem vollumfänglich Rechnung: Einerseits, indem die Parteien in einem umfassenden Kapitel zu Handel und nachhaltiger Entwicklung konkrete und bindende Verpflichtungen zu einer nachhaltigen Ausgestaltung der Palmölproduktion eingehen. Und andererseits, indem die Palmölkonzessionen im Abkommen mit Indonesien in der Höhe und der Menge begrenzt und an die Erfüllung strikter Nachhaltigkeitskriterien geknüpft sind.

Das linke Lager scheint für einmal gespalten zu sein: Anders als die Jungsozialisten oder die Partei der Arbeit ist die SP für das Abkommen. Wie erklären Sie sich diese Unterstützung von links?

Wie erwähnt, trägt das Abkommen den Bedenken bezüglich der Auswirkungen der Palmölproduktion umfassend Rechnung. In einer separaten Verordnung, die sich momentan in der Vernehmlassung befindet, stellen wir zudem sicher, dass die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien effektiv kontrolliert wird. Dies wird auch von Vertreterinnen und Vertretern linker und grüner Kreise anerkannt. Darüber hinaus wird ­sicher auch gewürdigt, dass das ­Abkommen Hand in Hand geht mit den langjährigen Bemühungen der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Indonesien. Und dass es einen Beitrag zu nachhaltigem Wachstum in Indonesien leisten kann, der breiten Bevölkerungsschichten nützt und die natürlichen Ressourcen schont.

Was hätte ein Scheitern des Abkommens zur Folge?

Es wäre zunächst einmal eine verpasste Chance für die Schweizer Wirtschaft, was in diesen wirtschaftlich herausfordernden Zeiten doppelt schade wäre. Künftige Diskriminierungen auf dem indonesischen Markt könnten dadurch nicht verhindert werden. Weiter würden wir es auch verpassen, einen wichtigen Beitrag zu den globalen Bemühungen um eine nachhaltigere Palmölproduktion zu leisten. Und schliesslich würde auch der Ruf der Schweiz als verlässliche Verhandlungspartnerin leiden, was negative Auswirkungen auf zukünftige Verhandlungen von solchen Abkommen haben könnte.

Sie selbst bringen sich aktiv in der Kampagne für ein Ja ein, unter anderem auch in der vom Schweizerischen Gewerbeverband sgv produzierten Sendung «FOKUS KMU – die Sendung für Wirtschaft & Gesellschaft», wo Sie ab dem 8. Februar zu sehen sein werden. Weshalb engagiert sich der Wirtschaftsminister so stark für das Freihandelsabkommen mit Indonesien?

Die Schweiz als exportorientiertes Land mit einem beschränkten Binnenmarkt ist auf den verlässlichen Zugang zu ausländischen Märkten angewiesen. Freihandelsabkommen sind diesbezüglich ein sehr wichtiges Instrument. So schaffen und erhalten wir Arbeitsplätze und Wohlstand in der Schweiz. Bundesrat und Parlament glauben auch, dass wir mit Indonesien ein ausgewogenes Abkommen ausgehandelt haben, das beiden Seiten nützt. Es verbessert die Rahmenbedingungen für die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen, trägt zum Ziel einer nachhaltigen Entwicklung bei und schützt die Schweizer Landwirtschaft. Deshalb setze ich mich mit Überzeugung für das Abkommen ein.

Anderes Thema: Am 7. März stimmen wir auch über das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (E-ID) ab. Der Bundesrat setzt sich für staatlich anerkannte elektronische Identitäten ein, vergeben von Privaten. Wieso ist ein Ja zur E-ID für die Schweizer Wirtschaft wichtig?

Die E-ID ist für die gesamte Wirtschaft, die sich immer mehr digi­talisiert, sehr wichtig. Auch für die Weiterentwicklung von E-Government-Dienstleistungen wie z. B. ­EasyGov.swiss ist eine staatlich regulierte elektronische Identität zentral. Das Fehlen einer allgemein verbreiteten elektronischen Identität und damit verbunden der digitalen Signatur ist aktuell das grösste ­Hindernis bei elektronischen Behördenleistungen. Dies führt zu Medienbrüchen und verhindert durchgängige digitale Prozesse. Für die administrative Entlastung von Unternehmen ist der Ausbau von ­E-Government-Dienstleistungen von grosser Bedeutung – dafür brauchen wir die E-ID.

Interview: Gerhard Enggist

PARMELIN IN FOKUS KMU

Der Bundespräsident im Gewerbe-TV

FOKUS KMU, die Sendung für Wirtschaft & Gesellschaft, widmet sich in ihrer Abstimmungsarena dem Freihandelsabkommen mit Indonesien. Bundespräsident und Wirtschaftsminister Guy Parmelin, ein starker Verfechter des ­Abkommens, wird die Klingen ­kreuzen mit dem Zürcher Nationalrat Balthasar Glättli, Präsident der Grünen Partei.

Ab 8. Februar täglich auf den ­Privat-TV-Sendern TeleZüri, Tele M1, TeleBärn, Tele 1 und Tele Ostschweiz, ab dem 15. Februar zudem auf TeleZ.

FOKUS KMU gibt’s auch online auf

www.fokus-kmu.tv

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