Publiziert am: 27.05.2016

«Nun sind halt die Chinesen dran...»

SCHWEIZ–CHINA – Im neuesten Lagebericht des Nachrichtendienstes wird vor dem wirtschaftlichen und ideologischen Einfluss ­Chinas auf die Schweiz gewarnt. sgv-Vorstandsmitglied und China-Kenner Robert Gubler gibt Entwarnung.

Stellt die Einflussnahme Chinas für die Schweiz tatsächlich eine Gefahr dar? Robert Gubler, Vorstandsmitglied des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv und Initiant des Swiss China Center in Zürich, winkt ab.

«Diese Diskussion hatten wir schon bei den Amerikanern, als der Wechselkurs noch bei einem Dollar zu vier Franken lag. Inzwischen kaufen die Schweizer ziemlich viele Unternehmen in den USA. Dann erlebten wir die Welle mit den Japanern. Diese standen im Generalverdacht, alles zu kopieren und Europa und auch die Schweiz mit ihren – billigen – Produkten zu überrollen. Auch japanische Investoren haben es verstanden, Know-how über finanzielles Engagements ‹abzuholen›. Inzwischen fühlen sich weder die westlichen noch im Besonderen die schweizerische Wirtschaft von japanischen Investoren oder deren Industrie direkt bedroht.

Hohe Reputation der Schweiz

Nun sind die Chinesen dran. Die inzwischen zahlreichen neuen Investoren aus China verfügen in der Regel über keine oder noch wenig Erfahrung mit westlichen Märkten. Wo es zum Kauf kommt, bleibt das bewährte Management meist weiterhin an Bord. Die Chinesen wollen und sind am Lernen. Dass sie Schweizer Firmen kaufen bzw. deren Produkte kopieren wollen, unterstreicht die Reputation, welche die Schweiz in China geniesst.

«das bewährte 
management bleibt meist an bord.»

Ein Blick auf die Grössenordnungen chinesischen Engagements in Schweizer Unternehmen relativiert einiges. Die häufigsten Meldungen betreffen zurzeit (in die Jahre gekommene) Hotels. Dann geht es auch um Uhrenmarken – die ihren Wert nur dann behalten, wenn sie ihre Wurzeln weiterhin in der Schweiz belassen.

Die geplanten Engagements in die Schweizer Industrie lassen sich zurzeit an einer Hand abzählen. Dem strategischen Ziel Chinas, den Binnenmarkt zu stärken und höhere Wertschöpfung in der eigenen Produktion und für Dienstleistungen zu erzielen, um damit Wohlstand zu erhöhen und noch breitere Bevölkerungskreise davon profitieren zu lassen, bringen die angesprochenen ausländischen Investitionen vorerst wenig bis nichts.

Eher in die Gegenrichtung

Daraus eine Bedrohung abzuleiten, scheint mir deshalb etwas übertrieben. Der ideologische Einfluss läuft meiner Ansicht nach eher in die Gegenrichtung, also von der Schweiz nach China. Die wenigen ‹Konfuzius-Institute› in der Schweiz und Europa suchen sich seit einigen Jahren zu etablieren. Für den kulturellen Austausch reichen deren Mittel kaum, die ideologische Einflussnahme läuft, wenn überhaupt, in homöopathischen Dosen.

Analog zu anderen autoritären Regimes agieren und reagieren die chinesischen Entscheidungsträger allein mit Blick auf die Machtsicherung. Hier sind Druckversuche z.B. in der Tibet-Frage offensichtlich. Gleichzeitig ist festzustellen, dass die Schweiz in der chinesischen Gesellschaft und bei den wirtschaftlichen wie politischen Entscheidungsträgern eine überdurchschnittliche Anerkennung und Reputation geniesst. Vor dem Hintergrund des noch relativ exklusiven Freihandelsabkommens ist eine ‹Charme-Offensive› gegenüber der Schweiz von Seiten verschiedener offizieller und halboffizieller Stellen Chinas, deren Provinzen usw. festzustellen. Das wird offensichtlich in der Öffentlichkeit – und so auch bei den Nachrichtendiensten – registriert.

Die Schweiz ist kaum bedroht

Wenn ich allerdings die diesbezüglichen News (Kultur, Investitionen, Joint Ventures, Infrastrukturprojekte usw. betreffend) in Deutschland, Österreich, ja selbst in den USA anschaue, sind wir auch hier nicht exklusiv, sondern in bester Gesellschaft. Die Schweiz ist kaum bedroht. Die Welt ist gross; und die ‹kleine› Schweiz auch. Die Mittel der Chinesen aber sind beschränkt. Chinas Offensiven scheinen zurzeit eher etwas verzettelt oder dezentral in Gange gesetzt zu werden, so wie das neue Geld in diesem grossen Land dezentral eben am Entstehen ist.»

Robert E. Gubler

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