Publiziert am: 27.05.2016

Regulierung als Entscheidkriterium

CHINESISCHE INVESTITIONEN – Europa und vor allem die Schweiz werden als Länder mit einfacherer, stabilerer Regulierung angesehen. Deshalb investiert China hier gerne.

Ob Swissmetal oder Syngenta: Chinesische Investoren kaufen immer wieder Firmen in Europa. Aber warum eigentlich? Weshalb gilt die chinesische Kauflust nicht den amerikanischen Unternehmen?

Vor einem Jahrzehnt waren chinesische Investitionen im Ausland fast noch nicht existent. Heute ist China eine der Top-3-Quellen weltweit, wenn es um ausländische Investitionen geht. Laut dem Finanzdatenanbieter Dealogic brachten chinesische Firmen zwischen dem Beginn des laufenden Jahres und Mitte März 2016 etwa 102 Milliarden Dollar für den Kauf ausländischer Unternehmen auf.

Darunter waren die Mega-Gebote der China National Chemical Corporation (ChemChina) für die agrochemische Schweizer Firma Syngenta sowie das Kaufangebot eines Konsortiums unter Führung des chinesischen Versicherers Anbang für die «Starwood Hotels & Resorts»-Gruppe. Das Anfangsgebot über 13 Milliarden Dollar scheiterte am Ende, aber die Zahlen fallen dennoch ins Auge. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2015 gaben die chinesischen Unternehmen für Akquisitionen in Übersee 106 Milliarden Dollar aus.

Wachsender Anteil im Westen

Der Wert der Offshore-Vermögen chinesischer Firmen soll sich von 6,4 Billionen Dollar im Jahr 2015 auf etwa 20 Billionen Dollar bis 2020 mehr als verdreifachen, wie ein gemeinsamer Bericht des Marktforschungsunternehmens Rhodium Group und des Mercator-Instituts für Chinastudien ermittelte. Ein wachsender Anteil dieser Offshore-Vermögen soll sich in westlichen Ländern befinden.

Chinas weltweiter Bestand an Investitionen im Ausland, der Unternehmensfusionen, Akquisitionen und Ausgaben für Start-ups umfasst, soll bis 2020 von 744 Milliarden Dollar auf 2 Billionen Dollar wachsen. Und es gibt durchaus viel Platz, um zu wachsen: Heute entspricht Chinas Bestand an Auslandsinvestitionen nur etwa 7 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts. In Deutschland beläuft sich dieser Anteil auf 47 Prozent, in der Schweiz gar auf 53 Prozent.

Weshalb Europa?

Schön und gut, aber das beantwortet die Frage nicht. Warum findet der Einkauf vor allem in Europa statt? Die Antwort ist einfach: wegen der Regulierung. Europa und vor allem die Schweiz werden als Länder mit einfacherer, stabilerer Regulierung angesehen. Und: Sie sind nicht so offen abschottend wie die USA. Vor allem das Gewicht der sogenannten unabhängigen Regulatoren in den USA, zum Beispiel der Kartellbehörde, der Finanzaufsicht oder des Arbeitsinspektorats, schreckt vor Investitionen dort ab.

Die Resultate zeichnen ein deutliches Bild: China investierte zwischen 2005 und 2016 fast 164 Milliarden Dollar in Europa (einschliesslich der Nicht-EU-Länder). Im gleichen Zeitraum investierte es in den USA 103 Milliarden Dollar.

Damit ist einmal mehr klar: Regulierung ist nicht nur teuer – sie ist abschreckend.

Henrique Schneider,

Stv. Direktor sgv

Mehr Details zu den chinesischen Investitionen in Europa stehen den Lesern der sgv im Gewerbe-Blog – in Zusammenarbeit mit dem Geopolitical Information Service – zur Verfügung.

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