Publiziert am: 13.12.2019

Ohne demokratische Legitimation

GEWALTENTRENNUNG – Kantonale Konferenzen haben sich über die Jahre eine Rolle zugewiesen, die weder Verfassung noch Gesetze so vorsehen.

In der Schweiz herrscht bekanntlich der Föderalismus. Gewisse Aufgaben sind per Verfassung dem Bund zugewiesen, andere den Kantonen, und wiederum andere den Gemeinden. Diese Aufgabenteilung ist über die Jahre gewachsen und stösst in Zeiten hoher Mobilität bisweilen an ihre Grenzen. Dennoch würde eine Kompetenzverschiebung bzw. eine Zentralisierung eine Änderung der Bundesverfassung bedeuten.

Angesichts dieser Hürden behelfen sich die staatlichen Behörden oft mit anderen Mitteln. Ein solches Mittel sind die Konferenzen, in denen sich kantonale oder kommunale Organe zusammenschliessen, um sich auszutauschen und zu koordinieren.

Meistens sind solche Konferenzen in der privatrechtlichen Form eines Vereins organisiert. Bekannt sind die GDK, Gesundheits­direktoren­konferenz, die KKJPD, Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren oder die FDK, Konferenz der Kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren. Daneben kommen aber auch Zusammenschlüsse vor, die Einheiten der Verwaltung um­fassen, beispielsweise die Steuerkonferenz.

So war die Rolle einst gedacht

Ursprünglich war die Rolle dieser Konferenzen der informelle Austausch und die Idee, interkantonale Angelegenheiten zu regeln. Im Lauf der Zeit kam die Absicht hinzu, kantonal unterschiedliche Eigenheiten abzubauen und zu vereinheitlichen. Das ist auf den ersten Blick sinnvoll, denn die bereits erwähnte Mobilität führt bisweilen dazu, dass kantonale Bestimmungen mit einem Wohnortswechsel umgangen werden. Auch im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit sind Abkommen nötig, da sich Kriminelle nicht um Kantonsgrenzen kümmern.

Diese Koordinationsbemühungen wurden nun aber weiterentwickelt und führen dazu, dass diesen Konferenzen eine erhebliche Macht zukommt, die weder in den Kantonsverfassungen noch in der Bundesverfassung je so vorgesehen ist. Ein Beispiel zeigt sich im Rahmen der Diskussion um die einheitliche Finanzierung von Ambulant und Stationär (EFAS): Die Gesundheitsdirektorenkonferenz stellt Forderungen und droht mit dem Referendum, obwohl ja die Vertretung der Kantone auf parlamentarischer Ebene der Ständerat ist. Die Gewaltentrennung wird damit stark aufgeweicht.

Chefbeamte toben sich aus

Nun kann man sagen, dass die Gesundheitsdirektoren immerhin vom Volk gewählte Regierungsräte sind, die theoretisch abgewählt werden können. Im Fall der Steuerkonferenz handelt es sich aber um Chefbeamte, die ohne demokratische Legiti­mation die Grundlagen für Erlasse erarbeiten.

Wie heikel dies ist, hat der Staatsrechtler René Rhinow bereits im Rahmen der Diskussion um den neuen Finanzausgleich festgehalten: «Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit stärkt die Regierungen und schwächt die Parlamente und das Volk.» Rhinow steht mit seiner Einschätzung nicht alleine da: Im Jahr 2009 reichte Ständerat Rolf Büttiker eine Motion ein, in der er vom Bundesrat verlangte, die Steuerkon­ferenz wieder auf die informelle Ebene zu bringen, wo sie hingehöre (09.3619). Der Bundesrat beantragte die Abweisung, und das Parlament folgte bedauerlicherweise.

Tagsatzung – das war einmal

Angesichts der Entwicklungen zeigt es sich aber, dass das Problem nicht gelöst wird und vielleicht über die Kantone, insbesondere die kantonalen Parlamente, erneut angegangen werden soll. Die letzte Tagsatzung der Eidgenossenschaft hat 1848 stattgefunden: Ihre Nachfolge sind die Organe des Bundesstaats und keine Konferenzen kantonaler Regierungen oder Chefbeamter.

Florian Wanner, Sekretär Schweizerische Belegärzte-Vereinigung

Weiterführende Artikel

Meist Gelesen