Publiziert am: 05.07.2019

Trendwende oder Strohfeuer?

KMU-Barometer – Sowohl das Barometer der Grossunternehmen wie auch dasjenige der kleinen und mittelgrossen Unternehmen erholten sich zwischen Januar und April leicht. Insbesondere das Baugewerbe und die Industrie konnten zulegen. Für das zweite Quartal sind die KMU optimistischer eingestellt.

Trotz anhaltender Unsicherheiten ĂĽber den zukĂĽnftigen Ausgang des Handelskrieges, der Brexitverhandlungen und die weitere Entwicklung der globalen Konjunktur, stieg das Barometer der kleinen und mittelgrossen Unternehmen (KMU) in der Schweiz zwischen Januar und April von 1,11 Punkten auf 1,16 Punkte. Bei den KMU wurde diese Verbesserung vor allem durch das Baugewerbe und die Industrie getrieben. Zudem sind die KMU-Unternehmen in den meisten Branchen betreffend dem zweiten Quartal optimistischer eingestellt.

Das Barometer der Grossunternehmen erholte sich ebenfalls leicht und stieg im selben Zeitraum von 0,79 auf 0,81 Punkte an. Auch bei dieser Unternehmensgruppe wurde die Verbesserung mehrheitlich durch das Baugewerbe wie die Industrie getrieben. Die Unternehmen in diesen Branchen wie auch im Grosshandel, den Architektur- und Ingenieurbüros sind optimistisch bezüglich des weiteren geschäftlichen Verlaufes.

Industrie

Sowohl bei den KMU wie auch bei den Grossunternehmen wurde im April die Geschäftslage leicht schlechter beurteilt als noch im Januar. Zwar beurteilten die KMU wie auch die Grossunternehmen die Bestellungseingänge im April im Vergleich zum Januar besser, der Vorjahresvergleich sah jedoch deutlich schlechter aus. Beide Unternehmensgrössen gehen weiterhin von steigenden Preisen aus, die Dynamik liess allerdings leicht nach. Diskrepanzen zwischen den beiden Unternehmensgrössen gab es jedoch bei der Ertragslage. Diese stabilisierte sich bei den Grossunternehmen auf dem Januarniveau, und auch die Preise stiegen moderat an. Bei den KMU hingegen verschlechterte sich die Ertragslage weiterhin.

Dienstleistungen

Während sich die Geschäftslage bei den Grossunternehmen im Dienstleistungssektor markant verschlechterte, stieg sie bei den KMU dagegen leicht an. Die Abkühlung der wirtschaftlichen Lage bei den Grossunternehmen kann jedoch weder mit der Nachfrage noch der Ertragslage der letzten drei Monate erklärt werden. Denn beide Indikatoren verbesserten sich signifikant. Jedoch erwarten die Grossunternehmen leicht tiefere Preise für die kommenden drei Monate. Bei den KMU war die Nachfrage wie auch die Ertragslage im April im Vergleich zum Januar moderat besser.

Baugewerbe

Im Baugewerbe erholte sich die wirtschaftliche Lage sowohl bei den KMU wie auch bei den Grossunternehmen. Bei den KMU verschlechterte sich die Ertragslage weiterhin sanft, und die Unternehmen gehen von einem fortwährenden Preisdruck aus.

Die Dynamik hat allerdings bei beiden Indikatoren deutlich abgenommen. Auch war die Nachfrage bei den KMU leicht höher. Bei den Grossunternehmen ist die Ertragslage weiterhin angespannt, die Dynamik hat aber auch hier abgenommen. Die Nachfrage war im April hingegen moderat tiefer als im Januar, und die Unternehmen gehen von einem verstärkten Preisdruck für die kommenden drei Monate aus.

Architektur- und IngenieurbĂĽros

Die Architektur- und Ingenieurbüros beurteilen die Geschäftslage weiterhin sehr optimistisch. Jedoch zeigte sich vor allem bei den Grossunternehmen eine Diskrepanz zwischen der Beurteilung der Geschäftslage und dem Verlauf der Indikatoren. Es verschlechterten sich sowohl die Nachfrage wie auch die Ertragslage im Vergleich zum Januar, und die Unternehmen gehen von sinkenden Preisen aus. Bei den KMU zeigte sich ein ähnliches Bild mit dem Unterschied, dass sich die Nachfrage in den letzten drei Monaten leicht verbesserte.

Detailhandel

Die grossen Detaillisten erwarten für die kommenden drei Monate leicht höhere Preise und gehen weiterhin von höheren Umsätzen aus. Allerdings dürfte sich die Dynamik bei der Umsatzentwicklung sanft abschwächen. Die KMU prognostizieren für die kommenden drei Monate weiterhin sinkende Umsätze und Preise. Während sich die Ertragslage der Grossunternehmen zwischen Januar und April stabilisierte, verschlechterte sie sich bei den KMU weiter. Dies zeigte sich auch bei der Beurteilung der Geschäftslage: Die KMU beurteilten im April die Geschäftslage als schlecht, die Grossunternehmen hingegen als gut. Während sich die Dynamik bei den Grossunternehmen verlangsamte, war bei den KMU eine leichte Beschleunigung zu beobachten.

Grosshandel

Im Grosshandel verbesserte sich die Geschäftslage leicht, wohingegen sie sich bei den KMU zwischen Januar und April moderat verschlechterte. Die optimistischer beurteilte Geschäftslage bei den Grossunter­nehmen war vor allem durch eine höhere Nachfrage getrieben, wohingegen sich die Ertragslage auf dem Januarniveau stabilisierte. Auch rechnen die Gross­unternehmen mit einer verlangsamten Dynamik bei der Preisentwicklung für die kommenden drei Monate. Auch die KMU gehen von einer leicht schwächeren Dynamik bei den Preisen aus. Zudem sank zwischen Januar und April die Nachfrage, und die Ertragslage verschlechterte sich.

Tourismus

Die Geschäftslage im Tourismus beurteilten die Grossunternehmen im April im Vergleich zum Januar unverändert. Bei den KMU brach der Aufwärtstrend der letzten Quartale ab, und die Unternehmen beurteilten die Geschäftslage nur noch als befriedigend. Diese pessimistischere Sicht auf die wirtschaftliche Lage ist jedoch nicht mit dem Verlauf der Indikatoren vereinbar. So verbesserten sich die Ertragslage wie auch die Nachfrage, und die Unternehmen sind optimistisch gegenüber der zukünftigen Preisentwicklung. Auch bei den Grossunternehmen verbesserte sich sowohl die Nachfrage wie auch die Ertragslage, allerdings mit einer sich verlangsamenden Dynamik.

KOMMENTARUnd immer wieder die internationalen Standards«KMU sind verunsichert, weil sie keinen politischen Rückhalt spüren.»

Frontalangriff auf KMU

Die Daten aus dem KMU-Barometer mögen beruhigen. Sie zeigen eine leichte Aufwärtstendenz. Die Unternehmen, vor allem KMU, sind optimistischer geworden. Doch viel wesentlicher ist, was sich hinter den Daten verbirgt: nämlich eine grosse Unsicherheit.

KMU sind verunsichert, weil sie keinen politischen RĂĽckhalt spĂĽren. Im Gegenteil. Sie werden zu einem Spielball von Politik und Grossunternehmen. Mehr noch: Die nationale Politik bildet ein Kartell mit den Grossunternehmen, und die KMU bezahlen die Zeche.

Beispiele gefällig? Da ist einmal die grosse Revision des Aktienrechts. Die Grossunternehmen wollen die Revision, koste es, was es wolle. Sie nehmen dafür gerne in Kauf, dass die Regeln der Abzockerinitiative auf alle KMU-Aktiengesellschaften ausgedehnt werden. Betroffen sind davon 114 000 KMU.

Dann will der Bundesrat die Inhaberaktiengesellschaft abschaffen. Und wer weibelt dafür? Natürlich, es sind die Grossunternehmen. Auch hier bezahlen rund 50 000 KMU am Ende die Zeche.

Und immer wieder die

internationalen Standards

Der Bundesrat will neuerdings gemeinnützige Stiftungen und Vereine dem automatischen Informationsaustausch in Steuersachen unterstellen. Das verursacht bei diesen Organisationen Kosten von etwa 10 000 Franken pro Jahr. Potenziell betroffen sind davon 30 000 Organisationen. Auch hier schwurbeln die Grossen etwas von internationalen Standards. Dabei sehen eigentlich gerade diese Standards Ausnahmen für Gemeinnützigkeit vor.

«KMU sind verunsichert, weil sie keinen politischen Rückhalt spüren.»

Was KMU beunruhigt: Alle diese Vorstösse sind zeitgleich gekommen. Während sich die KMU mit den Grossen immer wieder solidarisch zeigen – siehe Steuerreform – sind die Grossunternehmen nur noch bereit, sich mit der Politik zu verbrüdern. Und das gegen die KMU.

Diese Unsicherheit ist viel fundamentaler als der kurzfristig optimistische Trend.

Henrique Schneider, Stv. Direktor sgv

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