Publiziert am: 23.03.2018

Ungerecht – und dazu höchst fiktiv

EIGENMIETWERT – Wir bewegen uns auf ein neues System der Besteuerung des Eigenmietwerts zu. Der Eigenmietwert muss abgeschafft werden – aber nicht um jeden Preis.

Die Besteuerung des Eigenmietwerts: Das höchst strittige Thema ist derzeit in aller Munde (vgl. auch Seite 19). Seine Abschaffung wurde bereits dreimal erfolglos dem Volk vorgelegt. Heute herrscht unter der Bundeskuppel ein günstiges Klima, um diese von den Eigentümern ungeliebte Steuer abzuschaffen.

EigentĂĽmer, Mieter: angestrebte Gleichbehandlung

In der Schweiz umfasst die Besteuerung die Gesamteinnahmen und damit auch die Renditen einer Immobilie, d. h. die Erträge, die sich aus der Vermietung der Immobilie ergeben können. Im Gegensatz zu Mietern müssen Eigentümer, die in ihrem Wohneigentum wohnen, dessen Mietwert angeben. Eigentümer von Wohneigentum werden aus Gründen der Gleichheit auf einen fiktiven, vorgegebenen Betrag besteuert. Im Gegenzug können sie Hypothekenzinsen und Gebühren, die als private Unterhaltskosten gelten, von ihrem steuerpflichtigen Einkommen abziehen. Ein Mieter ist in der Regel nicht berechtigt, die von ihm bezahlte 
Miete abzuziehen.

Nachteil bei der Pensionierung

Die Eigenmietwertbesteuerung betrifft daher ein nichtexistentes Einkommen. Sie entspricht keinem 
tatsächlichen Geldzufluss. Diese Besteuerung eines fiktiven Einkommens, das dem zu versteuernden Einkommen hinzugefügt wird, ist daher ungerecht. Darüber hinaus sind Menschen, die einen Grossteil ihrer Hypothek amortisiert haben, benachteiligt, weil sich durch die Deklaration eines fiktiven Einkommens ihre Situation im Ruhestand verschärfen kann. Angesichts der derzeit tiefen Zinsen ist der Zeitpunkt für einen Systemwechsel günstig. Es ist daher sinnvoll, den Eigenmietwert abzuschaffen – aber nicht um jeden Preis.

Erhalt der Vermögenswerte

Im Rahmen des Systemwechsels können momentan die Abzüge, die Eigentümer von selbstgenutztem Wohneigentum heute geltend machen können, nicht gleichzeitig auch aufgehoben werden. Jeder Abzug erfolgt zu einem bestimmten Zweck, der seine eigene Legitimität hat. Es geht nicht darum, das System grundlegend zu verändern.

Es erscheint absurd, die Abzüge für energetische Sanierungen zu streichen, obwohl die Energiestrategie im Mai 2017 angenommen wurde. Diese können Hauseigentümer dazu ermutigen, ihr Gebäude energieeffizienter zu gestalten. Abzüge für Instand­haltungskosten tragen zum guten Zustand des Immobilienbestands bei, bilden eine Schutzmauer gegen Schwarzarbeit und sorgen für Arbeit für regionale KMU (vgl. Interview). Das Immobilienvermögen ist somit gut unterhalten, was seinen Wert steigert. Der Hypothekarzinsabzug ist auch für Hauseigentümer von Vorteil, da er den Zugang zu Wohneigentum fördert.

Es ist daher nicht hinnehmbar, auf diese heute bereits vorgesehenen Abzüge zu verzichten. Dies hätte nachteilige Auswirkungen auf die Wirtschaft. Die Herausforderung besteht also darin, eine ausgewogene Lösung für die Reform des derzeitigen Systems der Wohneigentumsbesteuerung zu finden.

Hélène Noirjean, Ressortleiterin sgv

VGL. AUCH SEITE 19

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