Publiziert am: 11.12.2020

Unterwegs in die Sackgasse

BVG-REFORM – Das Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge muss dringend revidiert werden. Der Bundesrat setzt auf einen Ansatz, der in der Vernehm­lassung Schiffbruch erlitten hat.

Seit der letzten umfassenden Reform des Bundesgesetzes über die berufliche Vorsorge BVG sind lange 17 Jahre verstrichen. Seither hat sich Wesentliches verändert. Kapitalanlagen, die als «dritter Beitragszahler» zu einer zentral wichtigen Stütze der beruflichen Vorsorge gehören, werfen längst nicht mehr die Erträge ab, die zur Sicherung der beruflichen Vorsorge notwendig wären. Und die Lebenserwartung ist inzwischen um gut zwei zusätzliche Jahre angestiegen. Eine nächste BVG-Reform ist daher unumgänglich.

Reformbedarf ist unbestritten

Über den Reformbedarf der zweiten Säule besteht heute weitgehend Einigkeit. Der BVG-Mindestumwandlungssatz muss substanziell gesenkt werden. Aus technischer Sicht wäre eine Senkung auf maximal 5,0 Prozent angebracht. Aus politischen Überlegungen sprechen sich aber die wesentlichsten Akteure für eine etappierte Senkung und einen Satz von vorerst einmal 6,0 Prozent aus. Weitgehend einig ist man sich auch, dass die Renteneinbussen, die mit einer Senkung des Mindestumwandlungssatzes einhergehen, kompensiert werden müssen. Bezüglich des Wie scheiden sich die Geister.

Gerade noch verkraftbar

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv hat sich in der Vernehmlassung zusammen mit anderen wichtigen Verbänden sowie in Einklang mit den bürgerlichen Parteien für ein Modell ausgesprochen, das den Koordinationsabzug massvoll reduziert, die Altersgutschriften der jüngeren Erwerbstätigen erhöht und spezielle Massnahmen für die Übergangsgeneration vorsieht. Mit gerade noch verkraftbarem Aufwand würden die Renteneinbussen kompensiert. Teilzeitbeschäftigte und Tieflöhner kämen gar in den Genuss von Leistungsverbesserungen.

Elementare Prinzipien verletzt

Der Bundesrat setzt auf einen anderen Lösungsansatz. Er hält weiterhin am sogenannten «Sozialpartnerkompromiss» fest. In Tat und Wahrheit handelt es sich hierbei um ein exorbitant teures Gewerkschaftsmodell, das auf bürgerlicher Seite bloss von Teilen des Arbeitgeberverbandes unterstützt wird, und das damit weit von einem tragfähigen Kompromiss entfernt ist. Das Festhalten an diesem Ansatz, der elementare Grundprinzipien der beruflichen Vorsorge verletzt, erstaunt. Denn in der Vernehmlassung ist dieser Ansatz klar durchgefallen. Selbst der Bundesrat muss in seiner Botschaft einräumen, dass die Rentenzuschläge als Kernelement der Vorlage bei einem «grossen Teil der Vernehmlassungsteilnehmer» sehr umstritten waren. Das heisst nichts anderes, als dass die von Teilen des Arbeitgeberverbands mitgetragene Gewerkschaftslösung kläglich gescheitert ist.

Hier hat der Bundesrat versagt

Mit dem Festhalten an den auf breiter Front abgelehnten Rentenzuschlägen führt der Bundesrat die BVG-Reform in eine Sackgasse. Denn eine Reform gegen den Widerstand der Bürgerlichen und eines Grossteils der Wirtschaft ist nicht machbar. Der Bundesrat hat hier klar versagt.

Der Ball liegt nun beim Parlament, das zwingend eine Richtungsänderung vornehmen muss. Bessere und günstigere Lösungsansätze liegen vor. Mitte-rechts hat eine ausgezeichnete Chance, sich zu profilieren.

Kurt Gfeller, Vizedirektor sgv

www.sgv-usam.ch

Vgl. auch Seite 4

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