Publiziert am: 06.03.2020

Verführerisch, aber gefährlich

NEIN ZUR BEGRENZUNGSINITIATIVE – «In Tat und Wahrheit eine Kündi­gungsinitiative»: Das KMU-Komitee gegen die BGI hat seine Kampagne lanciert. Die Personenfreizügigkeit ist für die Wirtschaft und die Sicherung der Arbeitsplätze von zentraler Bedeutung.

Die Ausgangslage bei einer Annahme der Initiative «Für eine massvolle Zuwanderung» am 17. Mai 2020 ist klar: Der Bundesrat müsste innerhalb eines Jahres mit der EU das Ende der Personenfreizügigkeit aushandeln. Weil eine Einigung über diesen Verhandlungsweg aber illusorisch ist, müsste das Abkommen gekündigt werden. Das ist der Grund, weshalb sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler sagt: «Die Begrenzungsinitiative ist in Tat und Wahrheit eine Kündigungsinitiative.»

Ein «fataler Rückschritt»

Hans-Ulrich Bigler präsidiert das KMU-Komitee «Kündigungsinitiative – Arbeitsplätze vernichten NEIN» zusammen mit den beiden Nationalrätinnen Jacqueline de Quattro (FDP/VD) und Daniela Schneeberger (FDP/BL) sowie Nationalrat Fabio Regazzi (CVP/TI). Dieses Quartett lancierte die KMU-Kam­pagne vor den Medien in Bern.

Aus Sicht des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv nehme die Fachkräfteknappheit mit der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative ab diesem Jahr zu, so sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler. «In der Schweiz werden sehr viele Fachkräfte ausgebildet. Trotzdem reicht es punktuell nicht, wie zum Beispiel das Gesundheitswesen klar aufzeigt.» Der Weg zurück in das Kontingenten-Management hält Bigler für einen «fatalen Rückschritt». Sei ein Kontingent aufgebraucht, könne ein Unternehmen ausländische Fachkräfte nicht mehr zeitgerecht anstellen und müsse im besten Fall ein Jahr warten. Keine Zeit zum Warten hätten hingegen die Kunden. «Sie wandern ab», so Bigler. Die Personenfreizügigkeit sei für die Wirtschaft und für die Sicherung der Arbeitsplätze von zentraler Bedeutung. «Ein offener Arbeitsmarkt ist ein wichtiger Fachkräftepool für die KMU.»

Eminent wichtig für die Region Basel

Nationalrätin Daniela Schneeberger beurteilte die Situation aus Sicht der Region Basel, die ein führender Wirtschaftsstandort in Export und Forschung sei. «Wir profitieren von den bilateralen Verträgen und somit von der engen Zusammenarbeit mit dem wichtigsten Handelspartner, der EU.» Aus den beiden Basel stamme gut ein Viertel aller Schweizer Ausfuhren, und jeder zweite Arbeitsplatz im Kanton Baselland hänge vom Export in die EU ab. «Somit ist die Personenfreizügigkeit als Teil der bilateralen Verträge eminent wichtig für unsere Wirtschaftsregion und damit auch für unsere KMU.» Die Begrenzungsinitiative würde den Verzicht auf die Personenfreizügigkeit bedeuten. «Deshalb muss die Begrenzungsinitiative abgelehnt werden», so Schneeberger.

Alle würden verlieren

«Mit dieser Abstimmung stehen wir am europapolitischen Scheideweg», sagte Nationalrat Fabio Regazzi einleitend. Besonders harte Folge hätte der Wegfall der Personenfreizügigkeit und der Bilateralen I für die KMU. «Der administrative Aufwand für den Export in die EU würde zweifellos steigen.» Als KMU-Unter­nehmer wisse er um die Wichtigkeit einer offenen Wirtschaft, so Regazzi. «Nur offen kann sie wachsen und somit auch Arbeitsplätze schaffen.»

Im Kanton Tessin sei mit den rund 67 000 Grenzgängerinnen und Grenzgängern pro Tag ein gewisses Potenzial vorhanden. «Doch auch wir können nicht ohne unsere Businesskunden in der ganzen Schweiz überleben.» In einer Stadt wie Mendrisio, wo die Zahl der Grenzgängerinnen und Grenzgänger die Zahl der einheimischen Arbeitskräfte übersteige, könne so etwas schon mal in Vergessenheit geraten, führte Regazzi aus. Eine Initiative mit dem Wort «Begrenzung» könne deshalb beim Gedanken an den massiven Pendlerverkehr sehr verführerisch wirken. «Aber auch wir im Tessin dürfen nicht vergessen: Die Initia­tive setzt Errungenschaften aufs Spiel.» Schon nur das Ausmass von neuer Bürokratie würde die Fähigkeiten vieler KMU übersteigen. Regazzi: «Wir würden alle ver­lieren.»

KMU als wichtige Zulieferer

«Dank der bilateralen Verträge ist die Schweiz stark gewachsen, sie haben mehr Wohlstand gebracht», sagte Nationalrätin Jacqueline de Quattro. Die Initiative missachte die stark gewachsene Bedeutung grenzüberschreitender Wertschöpfungsketten. Schweizer KMU spielen in Europa eine wichtige Rolle als wichtige Zulieferer. «Mit dem Wegfall der Bilateralen I verlieren die Schweizer Unternehmen den direkten Zugang zum EU-Binnenmarkt und büssen auf diese Weise stark an Konkurrenzfähigkeit ein.»

Eine Annahme der Initiative hätte eine rückläufige Produktivität und damit wohl auch eine höhere Arbeitslosigkeit zur Folge. De Quattro zitierte eine Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO aus dem Jahr 2015, die den Verlust bei einer Kündigung der Bilateralen I auf 64 Milliarden Franken schätzt.

Auch die Forschung wäre laut de Quattro betroffen. «Unsere Hochschulen würden von grossen europäischen Forschungsprojekten ausgeschlossen. Bei der Annahme der Begrenzungsinitiative wären wir alle Verliererinnen und Verlierer. Deshalb braucht es ein klares Nein am 17. Mai zum Wohle von uns allen.»

uhl

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