Publiziert am: 18.03.2022

Vier Tage Baustelle – drei Tage zu Hause

4-TAGE-WOCHE – Zentralschweizer Handwerker-KMU mit rund 40 Mitarbeitenden testen das New Work-Modell «4-Tage-Woche» in der Schweiz. Die drei Firmen wollen damit die Arbeitgeberattraktivität steigern und den Fachkräftemangel stoppen.

Der Fachkräftemangel macht auch den Adligenswiler Metallbauunternehmen Wittwer Metallbau AG und Stahlplan GmbH sowie der Pries Metall- und Glasbau AG in Sins arg zu schaffen. Nun wollen die beiden Luzerner sowie das Aargauer Unternehmen mit einem unkonventionellen Lösungsansatz dieses Problem angehen – mit der Einführung der 4-Tage-Woche. «Wir brauchen Fachspezialisten und Generalisten. Dieser Mix ist uns wichtig und hat sich bewährt», erklärt Nicole Wittwer, Mitglied der Geschäftsleitung. Und sie ergänzt: «Es ist in den letzten Jahren immer schwieriger geworden, breit ausgebildetes Personal für die Werkstatt und die Montage zu gewinnen. Viele gelernte Metallbauer wechseln früher oder später ins Büro oder in anverwandte Berufe im Bau.» Seit Beginn der Pilotphase in Island geistert dem Inhaber der drei Unternehmen, Philipp Wittwer, der Gedanke der 4-Tage-Woche im Kopf herum. Im Sommer 2021 hat er die Idee seinem Team präsentiert: Vier Tage arbeiten – 100 Prozent Lohn. Das Team reagiert von happy bis konsterniert. Wie soll die ganze Arbeit in vier Tagen über die Bühne gehen? Was werden Kunden und Lieferanten sagen? Einige waren begeistert, andere einfach bloss interessiert, ob das funktioniert.

Ressourcen neu organisiert

Die Betriebe machen die Probe aufs Exempel: Nach einer zweimonatigen Testphase im Herbst und ersten Eindrücken und Anpassungen hat im Januar 2022 eine sechsmonatige Pilotphase gestartet. Gearbeitet wird in allen drei Firmen montags bis donnerstags. Dass die Mitarbeitenden den freien Tag wählen könnten oder die Firma beispielsweise am Montag geschlossen hätte, die anderen am Freitag, kam nicht in Frage. Dazu Wittwer: «So viel Flexibilität liegt zumindest im Moment nicht drin. Die Arbeitstage müssen optimal geplant werden und an den vier Tagen müssen alle Ressourcen verfügbar sein. Andernfalls hätten wir Einbussen bei Effizienz und Kommunikation. Wir arbeiten an 4 Tagen ca. 90 Prozent, der Lohn bleibt bei 100 Prozent.» Bei Teilzeitmitarbeitenden ergibt sich einfach ein entsprechend tieferes Stundensoll.» Falls alles nach Plan läuft, soll sich das wöchentliche Stundensoll zu einem späteren Zeitpunkt weiter reduzieren, sodass effektiv 80 Prozent Arbeit zu 100 Prozent Lohn geleistet würde.

Die Arbeitsabläufe wurden genauer unter die Lupe genommen, um die Planung noch effizienter zu gestalten. Denn der Output muss Ende Jahr trotz Pensumsreduktion derselbe sein. Unter anderem half die Einführung einer Mitarbeiter-App, die bereits 2021 lanciert wurde. «Damit haben wir die Kommunikationswege innerhalb des Teams vereinfacht und stellen sicher, dass der Monteur, die technischen Zeichner und die Werkstattmitarbeiterin zeitgleich über Projekte informiert werden können.»

Die grössten Herausforderungen bei der Umstellung auf das neue Arbeitsmodell sind die angepassten Abläufe, die vorausschauende Planung sowie die Schulung des Teams. «Ebenso mussten wir unsere Lieferanten etwas umerziehen, denn sie können nur noch an vier Tagen anliefern.» Mit guter Kommunikation stosse man aber sowohl bei Kunden als auch Partnerunternehmen auf Verständnis und «Gwunder». «Unser Projekt wird gespannt mitverfolgt», so Wittwer. Das Unternehmerpaar Wittwer erhofft sich, attraktiver zu werden und Mitarbeitende länger ans Unternehmen binden zu können. «Wir möchten mit dem neuen Arbeitsmodell zu einer guten Work-Life-Balance unserer Mitarbeitenden beitragen und den Job weiterhin so gestalten, dass jede und jeder gerne arbeiten kommt.»

Mitarbeiter mĂĽssen mitmachen

Wittwer verrät, dass am Freitag in den Betrieben – zumindest aktuell – nicht tote Hose herrscht. Am Freitag ist jeweils jemand der Geschäftsleitung vor Ort und auf Abruf verfügbar. Beispielsweise wenn es Pro-bleme auf einer Baustelle gibt. Ob das New Work-Modell definitiv eingeführt wird, wird im Mai entschieden. Dem engagierten Unternehmerpaar ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden das Projekt mittragen, dass die finanzielle Lage sich nicht verschlechtert und die Ansprechpartner mit dem Modell klarkommen. «Ist das Team nach wie vor bereit, die 4-Tage-Woche beizubehalten, sind wir gewillt, diese fix einzuführen.» Corinne Remund

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