Publiziert am: 09.03.2018

Wo bleibt der Volkswille?

AHV-REFORM – Bei der Altersvorsorge 2020 hat der Souverän eine moderate Mehrwertsteuerer­höhung abgelehnt. Nun will der Bundesrat eine massive Erhöhung. Das kann nicht gut kommen.

Mit unerhörtem Enthusiasmus hat sich Bundespräsident Alain Berset für die Altersvorsorge 2020 eingesetzt. Doch das Volk verweigerte ihm die Zustimmung. Eine herbe Niederlage für unseren Sozialminister, von der er sich scheinbar noch immer nicht erholt hat. Denn die neuen, aus seiner Küche stammenden Vorschläge zur Reform der finanziell schwer angeschlagenen AHV sehen mehr nach einer Strafaktion aus denn nach einem vielversprechenden Anlauf für einen mehr­heits­fähigen Kompromiss.

Volk und Stände haben sich im vergangenen September gegen zusätzliche 0,6 Mehrwertsteuerprozente 
zugunsten der AHV ausgesprochen. Weil die Vorlage zudem einen enorm teuren Leistungsausbau vorsah und insgesamt viel zu komplex und zu undurchsichtig war, wurden auch die Gesetzesanpassungen abgelehnt. Logische Schlussfolgerung wäre, dass im Sinne des vom Schweizerischen Gewerbe­verband sgv vor Jahresfrist präsentierten Plans B zwei schlanke, getrennte Vorlagen für die AHV und die 2. Säule ausgearbeitet werden. Unsere Altersvorsorge könnte so auf mittlere Frist stabilisiert werden, und man hätte genug Zeit, um umfassendere Reformen anzugehen.

DĂ©jĂ -vu-Erlebnis

Der Bundesrat sieht das anders. Statt um die abgelehnten 0,6 Prozent will er die Mehrwertsteuersätze nun um satte 1,7 Prozent erhöhen. An teuren Kompensa­tions­massnahmen zur längst fälligen Erhöhung des Frauenrentenalters will er festhalten, und auch die Komplexität der Vorlage soll nicht spürbar reduziert werden. Der am 24. September 2017 zum Ausdruck gebrachte Volkswille wird damit klar miss­achtet.

Hat der sgv, der die Altersvorsorge 2020 an vorderster Front bekämpfte, damit einen Pyrrhussieg eingefahren? Mitnichten. Dank der Ablehnung der Altersvorsorge 2020 ist es gelungen, einen unsinnigen AHV-Ausbau nach dem Giesskannenprinzip zu verhindern, der uns jährliche Mehrkosten von mehreren Milliarden Franken beschert hätte. Erspart bleiben der Wirtschaft und den Erwerbstätigen auch schädliche Lohnprozenterhöhungen.

Zudem hat man beim Studium der bundesrätlichen Eckwerte zur AHV-Reform ein Déjà-vu-Erlebnis. In der damaligen Vernehmlassung zur Altersvorsorge 2020 schlug der Bundesrat vor, die Mehrwertsteuersätze um volle zwei Prozent zu erhöhen. Eine erste Korrektur nach unten nahm er dann selber vor, das Parlament besserte massgeblich nach. Man darf daher guten Gewissens davon ausgehen, dass auch bei der Neuauflage der Altersreform das letzte Wort noch längst nicht gesprochen ist.

Kurt Gfeller, Vizedirektor sgv

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