Publiziert am: 07.10.2022

Zurück zu Vernunft und Pragmatismus

Energieministerin Simonetta Sommaruga und ihre Anhänger reden in diesen Tagen am liebsten über Gas und über Putin. Sie glauben, sich damit aus ihrer Verantwortung für die bevorstehende Strommangellage herausreden zu können. Doch das drohende Blackout hat nichts mit dem Ukrainekrieg zu tun. Und auch nur am Rande mit der Gasversorgung aus Russland.

Schuld am Energiedebakel trägt die Energiestrategie 2050, die auf völligen Verzicht auf die Kernkraft, dafür auf Importe aus den Nachbarländern setzt. Doch dort ist die Situation nicht besser. Obwohl Bundesrätin Doris Leuthard vor dem Parlament prophezeit hat: «Unsicherheit gibt es insofern nicht, als man in allen europäischen Staaten in den nächsten zwanzig Jahren eine genügende Stromproduktion haben wird.» Wie ein Hohn dröhnt uns auch ihr Versprechen von 2017 in den Ohren, das Energiegesetz koste eine vierköpfige Familie nur gerade 40 Franken pro Jahr zusätzlich.

Der Energieverbrauch in der Schweiz soll gegenüber dem Jahr 2000 bis 2035 um 43 Prozent reduziert werden. Gleichzeitig will der Bundesrat bis dann alle Kernkraftwerke stilllegen. Dabei erleben wir seit Jahren eine massive Zunahme der Zuwanderung, allein 2022 in der Grösse des Kantons Baselstadt. Und gleichzeitig wollen wir den Verkehr mit E-Autos und das Heizen mit Wärmepumpen elektrifizieren. Das ist nichts anderes als eine Voodoo-Energiepolitik.

Solar und Wind liefern nicht mehr als einen geringen Bruchteil des Energieverbrauchs unserer Neun-Millionen-Schweiz. Weil diese Alternativenergien subventioniert werden müssen, rentierte die Schweizer Wasserkraft nicht mehr richtig. Wir sind wie andere Länder in kollektiver Selbsthypnose im Zeichen apokalyptischer Klimaprognosen in eine Mangellage geraten.

Durch politische Fehlentscheide hat sich die Schweiz, einst energiepolitisch vorbildlich aufgestellt, schwer verwundbar gemacht. Jetzt schiessen für die Konsumenten und für die Betriebe die Preise senkrecht nach oben. Eine weitere Nebenwirkung der Energiewende, die sich als Energie-Ende entpuppt, war eine Explosion der Stromspekulation an undurchsichtigen Börsen. Durch die staatlich verordnete Auslandabhängigkeit wurden die staatlichen Konzerne faktisch gezwungen, halsbrecherische Termingeschäfte auf Kosten der Steuerzahler zu unternehmen.

Jetzt musste der Chef des Stromkonzerns Axpo, von der Preisexplosion überrascht, einen Bittgang beim Bundesrat für einen Rettungsschirm von vier Milliarden unternehmen. Das Verhalten des Bundesrats in diesem Zusammenhang war auch nicht eben vertrauenerweckend: Simonetta Sommaruga musste in der Parlamentsdebatte einräumen, dass es vor der Kreditvergabe keine vertiefte Buchprüfung gab. Waren die Zehntausenden von Bundesangestellten überlastet? Jeder Schweizer, der am Bankschalter einen Kleinkredit bezieht, wird sorgfältiger überprüft.

Über Jahre hat Bundesrätin Sommaruga kritische Rückfragen mit der Bemerkung zur Seite gewischt, die Stromversorgung sei Sache der Konzerne. Schon im ersten Stresstest zeigt sich: Diese Beschwichtigungen stellen sich als falsch heraus. Denn es sind nicht die Konzerne und ihre Aktionäre, die im Ernstfall haften, sondern die Kantone. Doch diese haben sich diskret davongeschlichen, nachdem sie in guten Zeiten fette Dividenden kassiert haben. Schlussendlich haften die Schweizer Steuerzahler, die keine Ahnung haben, welche Risiken ihnen noch blühen.

Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Das Grounding der Energiewende ist ein Grounding der Grünen, überhaupt der Linken. Und ein Augenöffner für die Stimmbürger, die sich teilweise auch benebeln liessen. Jetzt ist Schluss mit Gaukeleien und Illusionen, fertig mit dem rot-grünen Budenzauber. Das belegt übrigens die ohrenbetäubende Stille rund um das Nuklearendlager im Dorf Stadel im Zürcher Unterland. Noch vor Kurzem wären die Grünen mit grossem medialem Gefolge dagegen Sturm gelaufen. Plötzlich sind sie ganz ruhig. Die Ernüchterung ist heilsam. Vielleicht kehren jetzt Vernunft und Pragmatismus zurück.

*Der Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel ist Chefredaktor und Verleger des Wochenmagazins «Die Weltwoche».

www.weltwoche.ch

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