Publiziert am: 24.03.2023

«Unzulässige Einmischung»

Judith Bellaiche – Die Eidgenössische Finanzkontrolle kritisierte in einem Bericht das Recycling-System der Swico für ausrangierte Elektro- und Elektronikgeräte. Die Geschäftsführerin der Swico und GLP-Nationalrätin spricht von einer «skandalösen Kompetenzüberschreitung».

Schweizerische Gewerbezeitung: Sie sind Geschäftsführerin von Swico, dem Wirtschaftsverband für die digitale Schweiz. Dieser betreibt auch ein eigenes Recycling-System für ausrangierte Elektro- und Elektronikgeräte. Wie kam es dazu?

Judith Bellaiche: Vor fast 30 Jahren haben die Hersteller von Büro- und Unterhaltungselektronik beschlossen, freiwillig und in Eigenverantwortung ausrangierte Geräte sauber zu rezyklieren. Was damals mit zwei Handvoll Herstellern begann, hat sich zu einer einzigartigen Erfolgsgeschichte entwickelt, die den gesamten Markt abdeckt.

Für einen Laien: Wie funktioniert das Swico Recycling?

Es ist so einfach wie bestechend: das Recycling wird bereits beim Kauf mittels dem vorgezogenen Recy-clingbeitrag finanziert. Das hat den Vorteil, dass die saubere Entsorgung am Lebensende des Geräts für die Konsumentin und den Konsumenten kostenlos und bequem ist.

Geräte können an sämtlichen Verkaufsstellen oder an einer der 600 Sammelstellen in der Schweiz abgegeben werden. Wir kümmern uns um den Rest: Mit den finanziellen Beiträgen werden die Sammlung, der Transport und das saubere Recycling aller Geräte in der Schweiz bezahlt. Dadurch, dass wir sämtliche Geräte aller Marken rezyklieren, skaliert das System und bleibt für den Endkonsumenten sehr günstig.

«unser System kostet den Steuerzahler keinen Rappen!»

Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) hat kürzlich die Wiederverwertung von elektrischen und elektronischen Abfällen in einem Bericht kritisiert. Was hat die EFK überhaupt damit zu tun? Und welche Rolle spielt das Bundesamt für Umwelt (BAFU), welches mehrmals erwähnt wird?

Die Äusserungen der EFK haben uns sehr befremdet. Einerseits betreiben wir seit 30 Jahren ein einwandfreies, vorbildliches und eigenverantwortliches Recycling-System. Andererseits ist der Übergriff der EFK eine unzulässige Einmischung, denn unser System kostet den Steuerzahler keinen Rappen! Dass die EFK eine privatwirtschaftliche Organisation ohne gesetzlichen Auftrag und ohne sachlichen Grund öffentlich diffamiert, ist eine skandalöse Kompetenzüberschreitung.

Die Rolle des BAFU bleibt nebulös: Es behauptet, dass es keine Informationen über unser System erhält. Dabei werden unsere Recy-cling-Partner streng von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA kontrolliert, und unsere Recyclingquoten werden transparent publiziert. Ich finde es schon etwas komisch, dass das BAFU diese Informationen nicht kennt.

Konkret bemängelte die EFK die fehlende Transparenz: Das BAFU kenne die finanzielle Situation der Abfall-Management-Organisationen (AMO) nur teilweise und habe nur begrenzten Zugang zu Daten der Materialströme. Der Blick titelte daraufhin: «Bund weiss nicht, was mit dem Elektroschrott passiert». Was sagen Sie dazu?

Die Materialströme und die Recy-clingmengen werden jedes Jahr in unserem Fachbericht publiziert, der von Experten erstellt wird. Wir bedienen das BAFU auch mit anderen Informationen, etwa über die CO2-Ersparnis der einzelnen Materialrückgewinnungen. Wir treffen uns regelmässig mit dem BAFU zu einem Austausch, letztmals im Sommer 2022, und stehen ihren Fragen Red’ und Antwort. Auch die finanziellen Reserven des Recycling-Systems geben wir in Anzahl vorfinanzierter Monate bekannt. Es ist schwer nachvollziehbar, wieso der Bund trotz allem nicht weiss, was mit dem Elektroschrott passiert.

In der Schweiz gibt es beim Recycling von Glas und Batterien eine staatliche, bei PET, Alu- und Weissblech-Büchsen sowie bei elektronischen Geräten eine private Lösung. Sind der EFK und dem BAFU diese Privaten ein Dorn im Auge? Wie ist Ihr Eindruck?

Der Bericht der EFK enthält tatsächlich Hinweise, dass sie eine Verstaatlichung unseres Systems bevorzugen würde. Das ist absurd: Wieso sollte man ein erfolgreiches, selbsttragendes Recycling-System mit Steuergeldern betreiben, wenn die Wirtschaft das seit 30 Jahren eigenverantwortlich macht? Dieser unersättliche Verstaatlichungsappetit widerspricht diametral dem Ruf nach Eigenverantwortung der Wirtschaft.

«Der Staat würde das System träge und teuer machen.»

Was sind die Nachteile einer staatlichen Recycling-Lösung, und welche Vorteile hat die private Initiative?

Dank dem Know-how und der Erfahrung unseres privaten Systems geniessen wir ein hohes Vertrauen der Hersteller – deshalb machen ausnahmslos alle mit. Bei den Konsumentinnen und Konsumenten ist das Recycling-System breit akzeptiert, weil sie trotz höchsten Standards und Kontrollen sehr überschaubare Beiträge zahlen. Wir haben ein ideales Kosten-Nutzen-Verhältnis erreicht, was sich in unserer weltweiten Spitzenposition beim Recycling widerspiegelt. Der Staat würde das System nicht nur träge und teuer machen, sondern er müsste – wie wir jetzt wissen – das ganze Know-how von null aus aufbauen.

Die Abfall-Management-Organisationen bilden finanzielle Reserven, um das System im Fall von Krisen zu gewährleisten. Die EFK moniert, es bestehe ein grosses Risiko, dass diese gehortet würden. Was antworten Sie darauf?

Das zeigt, wie wenig die EFK von unserem System versteht. Wir haben den Anspruch, eine konstante finanzielle Reserve zu halten, die uns in die Lage versetzt, bei einer allfälligen Liquidation unseren Recylingverpflichtungen während 12 bis 18 Monaten nachzukommen. Weil unsere Vergütungen an die Recy-clingpartner indexiert sind, kommt es regelmässig zu Schwankungen, wenn die Rohstoffmärkte volatil sind.

Gerade während der Pandemie war das stark der Fall, und wir konnten dank den soliden Reserven den Verwerfungen am Markt standhalten. Eigentlich entspricht das dem Gebot der wirtschaftlichen Vorsicht, und es erstaunt, dass ausgerechnet die EFK dies moniert.

«Öffentliche Verunglimpfungen sind wenig konstruktiv.»

Das BAFU sieht nun eine Vollzugshilfe vor, in der es seine Anforderungen an die Verarbeitung von elektrischen und elektronischen Abfällen festlegen will. Was muss man sich darunter vorstellen, und was halten Sie davon?

Die Vollzugshilfe ist eine technische Vorlage, die detaillierte Vorgaben über den eigentlichen Recycling-Prozess macht und den Stand der Technik definiert. Es versteht sich von selbst, dass wir diesen erfüllen, respektive konstant übertreffen. Unsere Umweltleistung ist unbestritten.

Zurück zur Swico: Was erwartet Ihr Verband von der Politik beim Thema Recycling?

Wir haben Verständnis für die kontinuierlich steigenden Anforderungen der Politik an das Recycling und die Kreislaufwirtschaft und tragen sie mit. Unser System war ein Grundstein für die Schweizer Kreislaufwirtschaft, noch bevor es eine staatliche Regulierung dafür gab.

Es gehört zu unserer DNA, die höchsten ökologischen Ansprüche eigenverantwortlich zu erfüllen. Es wäre schön, wenn wir die Bundesverwaltung als Partnerin dafür gewinnen und gemeinsam die besten Resultate erzielen könnten. Öffentliche Verunglimpfungen sind dabei wenig konstruktiv.

Interview: Rolf Hug

www.swico.ch

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