Publiziert am: 02.06.2023

Hier müssen Profis an die Säcke

PFLICHTVORRÄTE – Der Bund plant eine Vorratshaltung in Mengen, die an Krieg oder Hungersnöte erinnert. Solche Pläne auf dem Buckel der Unternehmen umzusetzen, kommt nicht infrage.

Am 19. April hat das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) eine Änderung der Verordnung über die Pflichtlagerhaltung von Lebens- und Futtermitteln in die Vernehmlassung geschickt. Dabei handelt es sich um all das, was zur täglichen Grundversorgung beiträgt, unsere Nahrung. Um die Versorgung des Landes zu gewährleisten, kann der Bund die Pflicht zur Lagerung lebenswichtiger Güter einführen.

Ausweitung gefordert

Das WBF bestimmt den Umfang und die Qualität der Waren an Nahrungs- und Futtermitteln. Die wirtschaftliche Landesversorgung überprüft regelmässig die Politik der strategischen Lagerhaltung. Eine solche Überprüfung fand im Mai 2019 statt, doch seither – und vor dem Hintergrund der verschiede-nen Krisen – haben mehrere parlamentarische Vorstösse gefordert, eine mögliche Ausweitung des Pflichtlagersystems erneut zu prüfen. Das WBF kann von sich aus über die Bestimmungen entscheiden. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des Vorhabens wurde hingegen eine Vernehmlassung eröffnet.

Krieg oder Hungersnot?

Im aktuellen Kontext hebt der erläuternde Bericht zwei Haupttrends hervor: 1) Zunehmende Fragmentierung und Globalisierung der Wertschöpfungsketten (Komplexität und immer mehr Akteure in der Kette); 2) Zunahme der möglichen Risiken und Fehlfunktionen. Die Berechnungsannahmen gehen von 2300 kcal pro Tag und Person für zwölf Monate und einer vollständigen Importblockade aus, sodass das Volumen der Pflichtlager entsprechend erhöht wird.

Wenn die Schweiz 12 Monate lang einen Importstopp für Nahrungs- und Futtermittel erleben müsste, würde entweder ein Kriegszustand herrschen oder eine weltweite Hungersnot, die eine nationale Versorgung erfordern würde. Ein solcher totaler Importstopp scheint mehr als unwahrscheinlich, obwohl Krisen zeigen, dass es schwierig ist, klar zu erwarten, was auf einen zukommt – sonst käme es wohl gar nicht zu Krisen.

Wer soll das stemmen?

So ist die Rede davon, die Lagerkapazitäten um weitere 245 000 Tonnen Getreide zu erweitern; doch aufgrund der Abschaffung der Lagermöglichkeiten für Gerste und Futtermais müssten die zusätzlichen Reserven eher auf 300 000 Tonnen geschätzt werden. Insgesamt wären es 755 000 Tonnen Getreide.

Es wird schwierig sein, das Projekt in nur zehn Jahren zu realisieren. Welche Unternehmen sind in der Lage, so viel Lagerkapazität in nur zehn Jahren aufzubauen? In den Bestimmungen zu diesen Pflichtlagern werden auch die Unternehmen entschädigt, die die Lagerung im Auftrag des Staates durchführen. Nun ist es aber so, dass die Höhe der Entschädigung nicht wirklich realistisch ist und nicht alle Investitionen abdecken könnte. Es kommt nicht infrage, dass Unternehmen im Auftrag des Staates Reserven organisieren, für welche sie mehr aufwenden müssen als die tatsächlichen Kosten.

Zudem müssen die Pflichtlager jährlich um 175 000 Tonnen umgesetzt werden. Dies entspricht der Hälfte des Bedarfs. Letztendlich wären die Unternehmen dafür verantwortlich, die Pflichtlager zu rotieren. Die wirtschaftlichen Aktivitäten dieser Unternehmen würden durch die Handhabung einer solch kriegsähnlichen Situation tiefgreifend beeinträchtigt.

Der Bericht schlägt ausserdem vor, die Geflügel- (10 Prozent in zwei Monaten) und Schweinebestände (12% in sechs Monaten) massiv zu reduzieren. Die Schlachtkapazitäten werden nicht angegeben, ebenso wenig wie die Einfrierlagerung.

Es ist Zeit für Fachleute

Nun ist es an der Zeit, dass sich Fachleute mit der Komplexität solcher Projekte auseinandersetzen; der Vernehmlassungstext ermöglicht dies. Es bleibt zu hoffen, dass die Akteure in diesem Bereich angehört werden und ein solcher Belagerungszustand der Fantasie unserer Beamten vorbehalten bleibt.

Mikael Huber, Ressortleiter sgv

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