Publiziert am: 17.11.2023

Ein zweifelhaftes Vorgehen

GREENWASHING – Der Bundesrat will eine Regulierungsvorlage zur Greenwashing-Prävention im Finanzsektor. Dabei stützt er sich auf ein eigenes Standpunktpapier vom Jahr 2022 – höchst fragwürdig.

Im Dezember 2022 hat der Bundesrat seinen Standpunkt bezüglich Greenwashing-Prävention im Finanzsektor veröffentlicht. Danach hat er verschiedene Konsultationen mit Stakeholdern geführt. Davor gab sich die Schweizerische Bankiervereinigung eine diesbezügliche Selbstregulierung (vgl. Artikel oben).

Offenbar nützte das alles nichts. Denn in der Medienmitteilung des Bundesrates vom 25. Oktober 2023 heisst es apodiktisch: «Das EFD wird dem Bundesrat bis spätestens Ende August 2024 eine Vernehmlassungsvorlage vorlegen. Falls die Finanzbranche doch eine Selbstregulierung präsentiert, die den Standpunkt effektiv umsetzt, wird das EFD auf weitere Regulierungsarbeiten verzichten.»

Eigenes Papier geht vor

Offenbar ist es dem Bundesrat also wichtiger, die eigenen Vorstellungen durchzusetzen, als sich auf die real existierende Welt auszurichten. Denn einerseits pfeift die Exekutive auf die bereits vorhandene Selbstregulierung der Banken. Und andererseits will sie auch nicht auf jene Stakeholder hören, die klar gesagt hatten, Nachhaltigkeit sei ein marktlicher Prozess und bedürfe deshalb keiner Regulierung.

Der Bundesrat scheint sich auf den Standpunkt zu stellen, die Realität sei nicht wichtig. Alleine das eigene, in den warmen Amtsstuben Berns entwickelte Positionspapier sei für die Finanzbranche von Bedeutung. Was steht also in diesem Papier?

Zielsetzung unbrauchbar

Schon auf Seite 2 des Papiers zeigt der Bundesrat, wie wenig er von der Sache versteht. Dort steht geschrieben: «Der Bundesrat ist daher der Meinung, dass es am Finanzmarkt ein einheitliches, klares Verständnis darüber braucht, unter welchen allgemeinen Voraussetzungen Anlageziele und damit Produkte und Dienstleistungen als nachhaltig bezeichnet werden können.»

Das ist schon prinzipiell ein Problem. Denn Nachhaltigkeit ist ein weites Feld. Zu meinen, dass es eine «one size fits all»-Lösung gäbe, ist falsch. Zudem ist diese Zielsetzung auch praktisch unbrauchbar. Derzeit ist das Feld am Sich-Entwickeln. Zu jeder Entwicklung gehören Experimente, Vielfalt, Wettbewerb und Innovation. Wer jetzt schon alles normieren will, setzt die gesamte Entwicklung aufs Spiel. Damit stellt der Bundesrat sicher, dass es in der Schweiz auch in Zukunft keine wirkliche «Sustainable Finance» gibt.

Gesetzliche Grundlage? Egal!

Noch interessanter äussert sich der Bundesrat auf Seite 3. «Finanzprodukte und -dienstleistungen, die allfällige ESG-Risiken reduzieren oder die Performance optimieren sollen, verfolgen ein rein finanzielles Anlageziel und sollten daher nicht als nachhaltig bezeichnet werden, sofern sie nicht zusätzlich eines der oben erwähnten Anlageziele verfolgen. Die reine Berücksichtigung von ESG-Risiken fällt vielmehr unter die treuhänderischen Pflichten.»

Offenbar kennt die Exekutive die Rechtslage in der Schweiz nicht. In keinem Gesetzestext ist festgehalten, dass ESG Teil der treuhänderischen Pflicht ist. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Denn dort, wo ESG im Konflikt mit den kaufmännischen Zielen steht, sind Finanzziele vorzuziehen. Diese Grundlage hat sich weltweit etabliert, und wird auch juristisch so durchgezogen. Dass der Bereich ESG – Environmental, Social, Governance – und die Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie, Soziales – Überschneidungen haben und nicht binär konzipiert werden können, scheint der Regierung so fremd zu sein wie die gesetzliche Grundlage.

Eine weitere BĂĽrokratisierung

Die Ansinnen des Bundesrates führen zu einer Bürokratisierung der Nachhaltigkeitsanlagen. Auf Seite 4 verkündet der praxisferne Bericht: «Die Umsetzung der oben erwähnten Transparenzgebote soll von einem unabhängigen Dritten überprüft werden, um die Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitsziele sicherstellen zu können.»

Dass die Bürokratisierung Kosten generiert, dürfte die Regierung auch diesmal vergessen haben. Dass die höheren Kosten, zusammen mit den anderen wirklichkeitsfernen Regulierungen, gerade diesen Produkten schaden, versteht man in Bundesbern vermutlich auch nicht. Insgesamt hätte das Vorgehen des Bundesrates nicht fragwürdiger sein können.Sc

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