Publiziert am: 19.01.2024

Ein historischer Entscheid für die KMU

Submission – Ein innovativer Kleinunternehmer wird von der Stadt Zürich schikaniert. Sie ändert ständig die Geschäfts-bedingungen, damit er keine Aufträge erhält. Doch das lässt der Firmenchef nicht auf sich sitzen. Er wehrt sich – mit Erfolg.

«Man ist sich in der Schweiz von den links regierten Städten schon so manches gewohnt. Doch das, was sich in Zürich tut, ist haarsträubend.» Deutlich sind die Worte von Armand Rudolf von Rohr, dem Inhaber der RVR Service AG. Er regt sich nämlich gleich mehrfach auf.

Doch von Anfang an: Die RVR Service AG ist ein Familienunternehmen aus Liestal. Es hat ein Konzept zur Verbindung von Hygienemanagement und Klimaschutz entwickelt. Es rüstet Toiletten mit wiederverwendbaren Stoffrollen aus nachhaltiger Baumwolle aus.

Pionier der Nachhaltigkeit

Stoffhandtuchanwender handeln nachhaltig und schonen dadurch die Umwelt. Mit dem Einsatz von Stoff anstelle von Papier zur Handtrocknung wird Zellstoff eingespart, was zum Erhalt von Wäldern beiträgt. Jede Stoffrollenwaschung trägt zu Baumpflanzungen bei. In Kooperation mit dem im Jahr 2007 gegründeten Verein Clean Forest Club wird die Aufforstung in sturmgeschädigten Gebieten ermöglicht.

Heute mag das alles ganz normal erscheinen. Doch die Firma fing bereits im Jahr 2009 mit dem Konzept an. Das macht sie zu einer Pionierin. Bis heute konnte sie bereits 23 380 Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden.

Politische Klientel bedient?

Die Stadt Zürich schrieb den Unterhalt verschiedener WC-Anlagen im Stadtgebiet aus. Die Firma aus Liestal konnte nicht nur das bessere Produkt, sondern den weitaus besseren, also tieferen, Preis offerieren als die Konkurrenz. Doch die Stadt Zürich gewichtete das Preiskriterium zu wenig. Übergewichtet hat sie andere, vielleicht nebulöse, Kriterien. Einige Leute haben vermutet, dass diese Gewichtung dazu diente, politische Klientel zu bedienen.

Auf jeden Fall ging das Familienunternehmen bis vor Bundesgericht gegen die Stadt Zürich vor. Es stellte sich auf den Standpunkt, dass bei der Vergabe von weitgehend standardisierten Gütern oder einfachsten Vergaben eine Untergrenze bei der Preisgewichtung von 80 Prozent einzuhalten sei, und eine Gewichtung darunter eine unzulässige Ermessensüberschreitung der Vergabebehörde darstelle.

«was sich in der Stadt Zürich tut, ist haarsträubend.»

Das Bundesgericht schlug sich auf die Seite der RVR Service AG. Es entschied, dass die Stadt Zürich ihr Ermessen überschritten hatte und nicht nur ausschreiben, sondern sich der neuen Gewichtung des Preiskriteriums fügen muss.

Grosse Signalwirkung

Dieser Entscheid des Bundesgerichts ist in mehrfacher Hinsicht historisch. Er hat eine Signalwirkung für alle öffentlichen Aufträge. Das Gericht sagt nämlich: «Die aufgeworfene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist deshalb folgendermassen zu beantworten: Bei einfachsten Vergaben ist der Preis bei den Zuschlagskriterien mit mindestens 60 Prozent zu gewichten. Es ist mithin bei derartigen Vergaben bei der Preisgewichtung eine Untergrenze von 60 Prozent zu beachten. Die Vorinstanz hat ihr Ermessen bei der Anwendung von §33 Abs. 1 SubmV/ZH insofern überschritten und damit gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV) verstossen» (BG 2C_802/2021, Punkt 3.9, Urteil vom 24. November 2022).

Dann hält das Gericht klipp und klar fest, dass Aufträge neu aufgelegt werden müssen, wenn sie falsch ausgeschrieben wurden. Weiter wie bisher ist also keine Option. Im Originalton: «Die Sache ist zur Neuausschreibung der zu beschaffenden Leistung im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen an die Vergabebehörde zurückzuweisen» (BG 2C_802/2021, Punkt 4).

Jahrelanger Kampf

Die RVR Service AG kämpft seit Jahren für die Submissionsgerechtigkeit der KMU. Das Bundesgerichtsurteil gibt dem Preiskriterium mit 80, mindestens aber 60 Prozent die angebrachte, zutreffende Gewichtung. Auch die Stadt Zürich wird sich der neuen, höheren Preisgewichtung beugen müssen. Das ist ein historisches Urteil. Und das alles, weil sich ein KMUler zur Wehr setzt.

Henrique Schneider

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