Mit allen im Geschäft bleiben
SCHWEIZ–EU – Machtverschiebungen prägen aktuell das Weltgeschehen. Wie stark ist die Europäische Union noch? Und wie soll sich die Schweiz im Umgang mit den neuen Realitäten positionieren?
IGNAZIO CASSIS – Der Bundesrat sprach über das Verhandlungsmandat zwischen der Schweiz und der EU. Das Ziel sei, dass es keine fremden Richter und keine Unterwanderung unserer Sozialsysteme gebe.
«Ich schaue Ihnen in die Augen und sage: Es gibt keine fremden Richter.» Das antwortete Bundesrat Ignazio Cassis am Freitagabend auf eine Frage aus dem Publikum. Der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA hielt zum Abschluss der 74. Gewerblichen Winterkonferenz in Klosters eine Keynote. Der Hauptinhalt: Das Verhandlungsmandat zwischen der Schweiz und der EU, welches der Bundesrat Mitte Dezember verabschiedet und in Konsultation gegeben hat.
Das Mandat konkretisiere die Eckwerte, die der Bundesrat im Juni genehmigt habe, und berücksichtige die Ergebnisse der Sondierungsgespräche mit der EU, erklärte der Magistrat. «Das Mandat, das Sie mittlerweile in Händen halten, definiert die Ziele, die sich der Bundesrat gesetzt hat, und enthält die Verhandlungsleitlinien.»
Konkret verfolge es folgende Ziele:
• keine Unterwanderung der Sozialsysteme,
• keine Verschlechterung des Lohnschutzes,
• eine sektorielle Verankerung von spezifischen institutionellen Elementen in Binnenmarktabkommen,
• festhalten an den bisherigen Ausnahmen zu unseren Gunsten,
• keine Aushebelungen unseres Rechtssystems,
• keine fremden Richter.
Der Bundesrat habe auch beschlossen, die Sozial- und Wirtschaftspartner zu Stellungnahmen einzuladen. «Der Gewerbeverband ist als Sozialpartner eng in den laufenden europapolitischen Prozess eingebunden und ein wichtiger Partner auf der Suche nach guten Lösungen», betonte der Vorsteher des EDA.
«Der Gewerbeverband ist als Sozial-partner eng in den laufenden europapolitischen Prozess eingebunden.»
Der Bundesrat werde die Stellungnahmen bei seiner endgültigen Entscheidung über das Verhandlungsmandat berücksichtigen, die bis März erfolgen werde. «Denn eines stand und steht ausser Frage: Es ist unabdingbar, dass unser Land den bilateralen Weg mit der EU stabilisiert und weiterentwickelt.»
Cassis gab weiter zu bedenken, dass internationale Grossfirmen auf negative Entwicklungen rasch reagieren und solche beispielsweise mit Zweitniederlassungen im EU-Raum beheben könnten. Schweizer KMU seien viel stärker an ihren Standort gebunden. Genau das sei zu beobachten gewesen, nachdem die EU das MedTech-Kapitel im MRA-Abkommen nicht aktualisiert habe. «In diesem Kontext ist es also gerade für KMU essenziell, dass wir gute und geordnete Beziehungen mit unseren Nachbarn pflegen.»
Beim MRA geht es um den Abbau von technischen Handelshemmnissen. «Es ist sehr interessant, für einen gut 400 Millionen Einwohner zählenden Markt unkompliziert produzieren zu können», sagte der Aussenminister. Die Bilateralen Abkommen gingen dabei weiter als das Freihandelsabkommen von 1972, bei dem der Abbau von Zöllen im Vordergrund stehe.
Mit den Bilateralen sei die EU mit der Schweiz einen Sonderweg gegangen – dies mit Blick auf einen möglichen Beitritt. «Als die EU vor ein paar Jahren jedoch gemerkt hat, dass die Schweiz ihr nicht beitreten will, setzte sie die Aktualisierung aus», erklärte der Bundesrat.
Es gehe in den kommenden Verhandlungen darum, aus Landezonen nun Landepunkte zu definieren. Das Verhandlungsergebnis gehe wiederum in die Konsultation und werde auch dem Parlament vorgelegt. «Dann kommt es vors Volk», erklärte Cassis grob den Ablauf. Dabei gelte es, die 40 Prozent in der Mitte der Stimmbevölkerung zu überzeugen. «30 Prozent sind sowieso dagegen, und 30 Prozent sowieso dafür.»Rolf Hug
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