Publiziert am: 16.02.2024

«Wir sind alt, weil wir innovativ sind»

Optiker Zwicker – Das älteste Optikergeschäft der Stadt Zürich befindet sich gleich beim Fraumünster. Es hat im letzten Jahr sein 175-jähriges Bestehen gefeiert. Und zu diesem Anlass «eine Weltneuheit» eingeweiht.

Wer den Optiker Zwicker betritt, wird vom Personal freundlich begrüsst und empfangen. Das Interieur überzeugt mit schlichter, unaufdringlicher Eleganz. Der Blick schweift über all die Brillen und Sonnenbrillen. Vereinzelt erinnern Säulen und Stelen daran, dass das gleich beim Zürcher Fraumünster gelegene Gebäude auf eine lange Geschichte zurückblickt. Das Geschäft ist 175 Jahre alt.

«Anlässlich unseres Jubiläums haben wir das Lokal vergrössert und komplett erneuert», sagt Inhaber Daniel Halder. Auf etwas ist er besonders stolz: die interaktive Glass Experience Wall. «Eine Weltneuheit.»

Ergonomische Haltung

Dabei handelt es sich um Bildschirme, die eine Situation bei der Arbeit oder in der Freizeit zeigen. Die Kunden können so ihr künftiges Brillenglas ausprobieren und sehen, wie es in dieser alltäglichen Szene wirkt.

Sie erfahren so den Kontrastvorteil, den etwa ein gelbes Sportbrillenglas beim Skifahren bringt. Oder sie können sogenannte Computergläser – spezielle Gläser für die Arbeit vor dem Computer – ausprobieren: Diese Nahkomfortgläser passen sich individuell an die Bildschirmentfernung an und unterstützen eine ergonomische Kopf- und Körperhaltung.

Gläser erlebbar machen

«Die ‹Wall› hilft uns, das Glas für den Kunden erlebbar zu machen», erklärt Halder. Besonders eindrücklich verbessern biometrische Brillengläser das Kontrastsehen, zum Beispiel bei schlechten Lichtverhältnissen beim Autofahren. Diese Gläser – sie sind auf die Biometrie des genaustens vermessenen Auges abgestimmt – gehören zu der Spezialität des international führenden Brillenglas-Herstellers Rodenstock, der die interaktive Glass Experience Wall mitentwickelt hat.

«Es ist toll, dass ein solcher Weltkonzern mit uns zusammenarbeitet», sagt Halder. «Und es zeigt, wie Innovation funktioniert.» Rodenstock liefert einzig an andere Firmen. «Hier kommen wir als KMU ins Spiel und bringen unsere Erfahrung mit den Endkunden, sprich den Brillenträgern, ein.» Und mit Blick auf das 175-jährige Bestehen fügt der dreifache Familienvater an: «Wir sind so alt, weil wir innovativ sind.»

Fernrohre aus Italien

Davon zeugt auch das Privatarchiv von Daniel und seinem Vater Kurt Halder. Es finden sich darin interessante historische Brillen, darunter eine etwa 280 Jahre alte Sonnenbrille mit Textilschutz. Die Sammlung beinhaltet auch Fernrohre des italienischen Optikers Leonardo Semitecolo aus dem 18. Jahrhundert und gewährt dadurch nicht nur Einblicke in die Geschichte der Brillen, sondern auch in die technologische Entwicklung der Optik über die Jahrhunderte hinweg.

«Wir wollen das Archiv irgendwann unseren Kunden öffentlich zugänglich machen», erklärt Daniel Halder. «Tradition hat bei uns einen wichtigen Stellenwert.»

Vom indischen Wasserbüffel

Optiker Zwicker ist ein klassisches Familien-KMU. Der 51-jährige Daniel hat die Hälfte des Geschäfts vor rund zehn Jahren seinem Vater Kurt zum Marktpreis abgekauft und führt es seither weiter. Seine Schwestern Christine und Nathalie sind beruflich ebenfalls eng mit dem Unternehmen verbunden. Eine erledigt die Buchhaltung, die andere designt beispielsweise die Umrahmungen der eigenen Brillenmarken «Zwickerhorn» und «Zuerihorn».

«Horn» deshalb, weil das Material für die Fassungen von den Hörnern des indischen Wasserbüffels stammt. «Es ist ein Nebenprodukt und wird verarbeitet, wenn die Tiere eines natürlichen Todes gestorben sind», erklärt Daniel Halder.

Nachhaltigkeit spielt dabei eine wichtige Rolle: «Wir lassen diese Umrahmungen in einer kleinen Manufaktur im Aargau herstellen. Swiss hand made», betont der KMU-Inhaber. «Ausserdem verfügen wir in unserem Ladenlokal über eine Reparaturwerkstatt.»

Langfristige Kundenbindung

Wer eine günstige Brille suche, sei bei Optiker Zwicker sicherlich falsch, erklärt Halder. «Wer die Beste will, liegt bei uns richtig.» Wichtig ist ihm, dass seine Kunden rundum zufrieden sind. «Zwickt eine Brille auch nur leicht, ist das störend und muss geändert werden.»

Halder und sein Team streben langfristige Kundenbindungen an. «Wir haben Familien, in denen drei Generationen bei uns einkaufen», erklärt der dreifache Familienvater. «Das macht uns stolz.»

Wichtig ist auch die touristische Kundschaft. Diese habe wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. In diesem Zusammenhang erwähnt Halder die Uhrenindustrie, welche es geschafft habe, Uhren zu einem sehr gefragten Lifestyle-Produkt zu machen. «Jeder kann heute die Zeit auf dem Handy ablesen, trotzdem will jeder eine Uhr haben.» Die Optikerbranche habe dies mit der Sonnenbrille zwar auch ein Stück weit geschafft. «Aber hier haben wir sicherlich noch Verbesserungspotenzial.»

«Gute Mitarbeiter zu finden, war schon immer sehr herausfordernd.»

Zehn Mitarbeiter beschäftigt Optiker Zwicker, drei davon sind Lehrlinge. «Gute Mitarbeiter zu finden, war schon immer sehr herausfordernd», antwortet Halder auf die obligate Frage nach dem Fachkräftemangel. Generell Mühe, Personal zu rekrutieren, habe er aber nicht. Damit das so bleibt, legt Halder viel Engagement in seinen Arbeitsalltag: «Ich pflege stets meine Netzwerke und bleibe wo möglich überall in Kontakt.» Ausserdem versucht er, Lehrlinge auch nach ihrem Abschluss im Betrieb zu halten.

Ein wenig Sorge macht ihm allerdings, dass die Bereitschaft, am Samstag zu arbeiten, merklich nachgelassen hat. Trotzdem bleibt Daniel Halder zuversichtlich: «Optiker Zwicker geht es gut.»

Rolf Hug

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