Publiziert am: 08.04.2016

Auf der Suche nach Bestärkung

VIER MEGATRENDS – Zunehmende Politisierung des Alltags, mehr Identitätsbestärkung, eine wachsende Internationalisierung und eine Strukturrebellion sind die Zeichen der Zeit.

Vier Megatrends zeichnen die sicherheitspolitisch relevanten Entwicklungen der vergangenen Jahre aus.

n Zunehmende Politisierung des Alltags. Diese zunehmende Politisierung betrifft alle Austauschverhältnisse, wie beispielsweise gesellschaftliche, kulturelle oder auch wirtschaftliche. Immer mehr Gegebenheiten werden von verschiedenen Akteuren als politische Probleme angesehen oder zu solchen stilisiert. Beispiele dafür sind etwa Unternehmen, die freiwillig auf bestimmte Geschäftsfelder verzichten, weil diese politisch nicht opportun erscheinen, oder etwa Vereinigungen, die ohne Eigentumsrechte an Rohstoffen lautstark die Regelung des Rohstoffhandels verlangen. Ein gleichgerichtetes Beispiel sind Staaten und nichtstaatliche Akteure in der EU, ­welche den Umgang mit Flüchtlingen primär aus (wahl)politischer Perspektive betrachten. Andere Beispiele sind die aussenwirtschaftspolitischen Schwergewichtssetzungen der USA (verstärker Handel mit den Allianzpartnern in Asien, Ausgrenzung der geostrategischen Herausforderer) oder Chinas (asymmetrischer Handel als Machtmittel, um Hegemonieforderungen zu begründen).

n Zunehmende Identitätsbestärkungen. Die genannte Politisierung aller Lebensbereiche geht stark mit der Suche und Bestärkung der eigenen bzw. der Fremdidentität einher. Diese kann in verschiedenen Formen stattfinden, zum Beispiel in der Renaissance des harten Nationalismus, in der Besinnung auf Kultur und Werte, welche auch zur Ablehnung oder aktiven Ausgrenzung anderer Kulturen und Werte führen kann, im religiösen Fundamentalismus oder in der Erfindung von Identitäten. Dieser Grosszusammenhang, zusammen mit der zunehmenden Politisierung, erklärt verschiedene aktuelle Phänomene, so der zunehmende Merkantilismus, das Aufkommen eines sich selbst nennenden «Islamischen Staates» und anderer terroristischer Akteure, die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung etwa in den USA und der EU unter anderem. Andere Beispiele dafür sind die innerstaatlichen Spannungen, die bis hin zur Implosion von Staaten führen, welche wiederum Flüchtlingsströme auslösen, oder das Aufkommen verschiedener Formen von Terrorismus, die als Kriege gegen Andersdenkende geführt werden.

n Zunehmende Internationalisierung und Supranationalisierung. Parallel zur Identitätsbestärkung führt die zunehmende Politisierung zur (Schein-) Internationalisierung und Supranationalisierung. Immer mehr globale Austauschforen werden ins Leben gerufen und internationale Organisationen nehmen zunehmend die Rolle supranationaler Behörden ein. Die OSZE beispielsweise (vgl. Haupttext), welche als internationale Austauschplattform gegründet wurde, entwickelte sich zur supranationalen Behörde, welche Vorschriften zum In­stitutionenaufbau von Staaten, zur Geldwäscherei und bald auch zur Steuerpolitik macht. Auf den ersten Blick scheinen sich Identitätsbestärkung und Inter-/Supranationalisierung zu widersprechen. Bei näherem Hinsehen ist es nicht der Fall. Die zunehmende Politisierung verlangt die Schaffung von politischen Kanälen und Institutionen. Die Identitätsbestärkung wiederum gebietet, dass jene Kanäle zur Durchsetzung eigener Interessen benützt werden. Dies kann sowohl der Druck der Hochsteuerländer auf eine Verbannung von Niedrigsteuerregimes durch die OSZE sein als auch das kollusive Engagement für eine globale Klimapolitik durch Umweltnichtstaatsorganisationen und Umwelttechnikunternehmen.

n Zunehmende Strukturrebellen. Die Konvergenz von Politisierung, Identitätsbestärkung und Inter-/Supranationalisierung schafft eine Gruppe derer, die entweder von diesen Strukturen ausgeschlossen werden oder diese aktiv ablehnen. Diese Gruppe kann es sich zum Ziel setzen, gegen diese Strukturen zu arbeiten – wie beispielsweise Wikileaks et al. – oder diese Strukturen zu unterhöhlen und für eigene Zwecke zu entfremden, wie zum Beispiel Formen organisierter Kriminalität es tun. In dieser Gruppe sind auch jene zu platzieren, die eine Identität entwickeln und bestärken, ausserhalb der Strukturen zu sein; dazu gehören einzelne Länder wie Nordkorea genauso wie Formen der Hochseepiraterie oder das Deep Web im Internet.

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