Publiziert am: 08.04.2016

Vision und Strategie sind gefragt

SICHERHEITSPOLITIK – Der sicherheitspolitische Bericht SIPOL B des Verteidigungsdepartements lässt mehr Fragen offen, als beantwortet werden. Auf 70 langen Seiten findet sich wenig Konkretes – und viel bereits Bekanntes.

Alle Jahre wieder: Das Verteidigungsdepartement hat eine neue Version des sicherheitspolitischen Berichts SIPOL B in Vernehmlassung gegeben. Sonderbar ist es schon: Während die Neutralität abschätzig behandelt wird, werden internationale Organisationen in höchsten Tönen gelobt. Sicherheit gibt es nur, wenn es mehr internationale Regulierung gibt. Eine seltsame Botschaft.

«WENN SCHON 70 SEITEN, WESHALB DANN NICHTS KONKRETES?»

Doch wenn man den Hintergrund des SIPOL B bedenkt, ist die Botschaft viel weniger schockierend, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Der Bericht dient nämlich nur der Rechtfertigung aller bisher eingeleiteten politischen Massnahmen. Und weil er eben nicht in die Zukunft schaut, sondern die Vergangenheit legitimiert, haben seine Forderungen wenig Brisanz.

Terror und Cybercrime

Die grössten Bedrohungen für die Schweiz sind Terrorismus und die Cybersphäre – so steht es im Bericht. Falsch ist diese Aussage natürlich nicht. Aber braucht man tatsächlich 70 Seiten, um darauf zu kommen? Und: Wenn schon 70 Seiten zur Verfügung stehen, weshalb werden die Verfasser dann nicht konkret?

Der SIPOL B bleibt in seinen Aussagen diffus. Zum Beispiel erkennt er richtigerweise die Gefahr des «islamistischen Terrorismus». Er definiert aber nicht, worin die Gefahr besteht: Ist die Schweiz etwa Ziel von Anschlägen? Oder ist die Schweiz die logistische Plattform für Attentäter? Ist sie Durchgangs- und Aufenthaltsort von Terroristen? Welche Akteure sind nun «islamistische Terroristen»? Sind es Individuen, der so genannte «Islamische Staat», Boko Haram oder Al Kaida? Nach der Lektüre des SIPOL B bleiben mehr Fragen offen, als beantwortet werden.

Ähnlich unbedarft geht der Bericht mit dem Internet um. Nach SIPOL B ist das Internet eine Gemengelage von Bedrohungen. Dass «das Netz» aber heute für die meisten von uns zum Alltag zählt und viele positive Aspekte hat, wird im Bericht verschwiegen. Überhaupt ist es falsch, das Internet an sich als Bedrohung darzustellen. Denn «das Netz» ist nur ein Mittel. Es sind immer noch Akteure, die es zum Guten oder eben zum Schlechten einsetzen. Die Diskussion, ob ein Mittel eine Bedrohung ist, verdeckt die Suche nach dem eigentlichen Grund der Bedrohung.

Internationale Organisationen

Auch die internationalen Organisationen werden einseitig behandelt; einseitig positiv. Der Bericht nennt ausdrücklich die NATO und die OSZE als Beschützerinnen der Schweiz. Das ist mindestens interessant. Denn die Schweiz gehört formell nicht der NATO an. Das Verteidigungsbündnis hat keinerlei Verpflichtung, auch der Schweiz beizustehen.

«DAS INTERNET IST BLOSS EIN MITTEL – WEDER GUT NOCH SCHLECHT.»

Bei der OSZE ist die Sache noch diffiziler: Über sie wird die Schweiz regelmässig unter Druck gesetzt. Das Bankgeheimnis, die Konzernbesteuerung, der freie Bargeldverkehr oder die Inhaberaktien… Sie alle gehörten zu den Erfolgsfaktoren der Schweiz. Und wurden alle faktisch auf Druck der OSZE hin abgeschafft. Es ist im Übrigen auch diese Organisation, die höhere Mehrwertsteuer und weniger direkte Demokratie in der Schweiz will. Dient das alles tatsächlich dem Schutz unseres Landes?

«MUSS DIE SCHWEIZ JETZT IHRE NEUTRALITÄT AUFGEBEN?»

In diesem Zusammenhang wird die Neutralität zur Hypothek. Und das stellt der SIPOL B klar heraus. Um sich ins internationale Regelwerk oder in die Militärallianzen zu integrieren, müsste die Schweiz ihre Neutralität aufgeben. Der Bericht verlangt dies zwar nicht ausdrücklich, lässt aber die Folgerung kommentarlos zu.

Bestehendes legitimieren

Der springende Punkt ist: Der Bericht will nicht etwas Neues begründen, sondern lediglich bereits gefällte Beschlüsse legitimieren. Die Weiterentwicklung der Armee ist beschlossen. Den Zahlungsrahmen hat das VBS auch. Das Nachrichtendienstgesetz ist neu. Und das Schweizer Engagement in NATO und OSZE ist alt. Der SIPOL B verleiht dem allem einen Legitimitätsstempel.

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv hat einen eigenen – viel kürzeren – Sicherheitspolitischen Bericht erstellt. Statt auf die Lage, wie sie ist, zu schauen, entwickelt der sgv Szenarien, wie sich die Zukunft entfalten könnte. Und der sgv präsentiert eine Vision, wie eine verfassungsmässige Sicherheitsstrategie aussehen könnte. Der sgv hat somit die Hausaufgaben des Bundesrates gemacht.

Henrique Schneider, Ressortleiter sgv

die VISION DES SGV

Glaubwürdig und
vertrauenswürdig

In einem eigenen Papier zum Thema Sicherheitspolitik hält der Schweizerische Gewerbeverband sgv u.a. fest: Die Schweiz hat eine aktive, aber nicht parteiische Sicherheitspolitik. Als unabhängiges und neu­trales Land in einer globalen Welt hat sie folgende Vision:

n Die eigenständige Schweiz ist als Knoten in einem aktiven, globalen Netzwerk ein Vermittler zwischen Menschen, Staaten und Körperschaften; sie ist ein Mobilisierer politischer, wirtschaftlicher und technologischer Ressourcen sowie von Innovationen. Mit klar definierten Prioritäten, aber auch mit dem Willen zur internationalen Zusammenarbeit schützt der Bund die Interessen der Bevölkerung.

n Die Schweiz ist als Lebensraum und Standort einer kompetitiven Wirtschaft im Hinblick auf institutionelle, rechtliche und materielle Sicherheit weltweit führend. Sie wird deshalb respektiert und kann aus ihrem freiheitlichen Staatsverständnis strategische Erfolgspositionen aufbauen.

n Im Inneren und Ă„usseren ist die Schweiz glaubwĂĽrdig und deshalb vertrauenswĂĽrdig. Mit staatlich garantierten Eigentumsrechten (politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen) und dem erfolgreichen Zusammenspiel von Armee, Polizei, Schutz und Rettung gilt die Schweiz als ein menschlich und materiell sicheres Land. Sc

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