Publiziert am: 08.04.2022

CH-Wirtschaft trotzt dem Krieg

KONJUNKTUR – Die KOF Konjunkturprognose sieht für die Schweiz im günstigsten Fall eine Zunahme von 3 Prozent in diesem Jahr vor. Sollte sich die Ukraine-Krise ausweiten und infolgedessen der Franken massiv aufgewertet werden, würde das BIP lediglich um ein Prozent wachsen.

Seit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022, der zu beispiellosen Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland geführt hat, befindet sich die Weltwirtschaft im Krisenmodus.

Erneut. Denn gerade noch befand sich die Wirtschaft im Aufschwung, wurden doch die Corona-Massnahmen vielerorts gelockert oder gar aufgehoben. Die Nachwirkungen des Corona-Schocks sind noch deutlich zu spüren, die Lieferketten leiden seither unentwegt.

Kurzfristig spürt die Wirtschaft nun die Auswirkungen des Krieges in den markant angestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen. Diese Entwicklung verstärkt die vielerorts bereits zuvor beobachteten Anstiege der Preisniveaus weiter. Der Handel mit Russland ist in allen Bereichen ausser jenem mit Energie praktisch zum Stillstand gekommen. Da in der Schweiz viele im internationalen Rohstoffhandel tätige Firmen ansässig sind, könnte es bei weiteren, umfassenderen Embargos als bis anhin zu einem empfindlichen Wertschöpfungsverlust kommen. Schlussendlich könnte sich die Verunsicherung angesichts der Gefahr weiterer Eskalationen negativ auf die Konsum-​ und Investitionsneigung auswirken. Selbst wenn es relativ bald zu einem Waffenstillstand kommen sollte, hat dieser Krieg die geopolitische Lage und damit die Weltwirtschaft nachhaltig verändert.

Zwei Szenarien

Ohne den russischen Angriffskrieg hätte der Zuwachs des um Sportevents bereinigten Bruttoinlandprodukts (BIP) wohl nahe bei 3,2 Prozent gelegen, so die Schätzungen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich KOF. Nun sieht das günstigste Szenario einen BIP-Zuwachs von 2,9 Prozent vor. In diesem Szenario würden die Folgen des Krieges sich vorwiegend im zweiten Quartal 2022 auswirken. Diese relativ günstige Prognose kommt auch daher, dass weder Russland noch die Ukraine bedeutende Handelspartner der Schweiz sind. Natürlich werden aber einzelne Firmen, darunter auch einige KMU, sehr direkt getroffen.

Im Negativszenario unterstellt die KOF einen vollständigen Stopp aller russischen Energie-​ und Rohstoffexporte auch in die EU. Die Folgen wären noch einmal dramatisch höhere Energiepreise und Produktionseinschränkungen in einigen europäischen Ländern. Die ausländische Nachfrage nach Schweizer Produkten würde sinken. Zudem wird in diesem Szenario auch damit gerechnet, dass der Handel mit russischen Rohstoffen in der Schweiz gestoppt würde. Der Schweizer Franken würde eine schnelle und kräftige Aufwertung erfahren. Unter all diesen Annahmen würde die Wachstumsrate noch 1 Prozent betragen.

Im Negativszenario käme auch der Arbeitsmarkt unter Druck. In stark betroffenen Branchen, zum Beispiel im Verarbeitenden Gewerbe, käme es zu einem mehrere Quartale andauernden Stellenabbau.

Die Schweiz ist bei der Inflation noch gut bedient

Aufgrund des Krieges dürfte die Inflation stärker steigen und nicht ganz so schnell zurückgehen, wie zuvor angenommen wurde. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich die langfristigen Inflationserwartungen in der Schweiz bereits erhöht haben könnten. Im Unterschied zu anderen Teilen Europas und den USA, wo die Inflation schon zum zweistelligen Bereich tendiert, kann für die Schweiz aber noch Entwarnung gegeben werden: Im günstigen Szenario werden die Schweizer Konsumentenpreise in diesem Jahr um 1,9 Prozent steigen, im Jahr 2023 geht der Anstieg aber bereits auf 0,7 Prozent zurück. Im Negativszenario überschreitet die Teuerung mit 2,8 (2022) und 1,2 Prozent (2023) temporär den von der SNB als Preisniveaustabilität angesehenen Bereich von bis zu 2 Prozent.

Prognoserisiko durch neue Virusvarianten

Das KOF nimmt für alle Szenarien an, dass es nicht zur Wiedereinführung von Kontaktbeschränkungen kommen wird. Nach dem für die Schweiz zugrunde gelegten Endemieszenario werden COVID-​19-Krankheitsfälle zum Alltag gehören und die Aktivitäten der Gesunden kaum mehr beeinträchtigen. Ausgestanden ist die Pandemie aber noch nicht, neue Virusvarianten können auftauchen und das Geschehen jederzeit verändern. Daher weist das KOF darauf hin, dass sich das nun unterstellte Endemieszenario je nach Entwicklung der Pandemie im Nachhinein auch als zu optimistisch erweisen könnte

pd/uhl

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