Existenzbedrohend
99-PROZENT-INITIATIVE – Neue Steuern und noch mehr Umverteilung. Das fordert die brandgefährliche Initiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» der Jungsozialisten. Für manch ein KMU ist sie ...
FABIO REGAZZI – Der Unternehmer und Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv zu den zerÂstörerischen Auswirkungen der jungÂsozialistischen 99%-Initiative auf die Schweizer Wirtschaft – und insÂbeÂsondere auf die KMU.
Fabio Regazzi: Die Initiative ist brandgefährlich. Sie ist nicht durchdacht und sie ist falsch konstruiert. Ihre Formulierung ist unklar, um nicht zu sagen willkĂĽrlich. Die entscheidenden Begriffe werden nicht definiert. Der Initiativtext stellt nicht einmal klar, was «Kapitaleinkommen» ĂĽberhaupt ist. Wir wissen schlicht nicht, was hier massiv mehr besteuert werden soll. Wir sollen Âoffenbar die «Katze im Sack» kaufen – und zwar eine zĂĽndrote. ÂDagegen wehren wir uns mit all unserer Kraft. Denn eines ist ganz klar: Ein solcher Text gehört ganz einfach nicht in die Verfassung.
Das tue nicht nur ich – auch der Bundesrat kritisiert, die Initiative schlage ein «wenig zielgenaues Instrument» vor, um die von den Juso beklagte Einkommensungleichheit zu mindern. Dies weil sich die höhere Besteuerung vorwiegend auf die Art und nicht auf die Höhe der Einkommen bezieht. Die Initiative zielt zwar auf vermeintlich «Reiche»; sie trifft aber nicht Leute mit einem gewissen Einkommen, sondern Leute mit einer gewissen Art von Einkommen. Da stellt sich die ÂFrage: Wieso soll der Staat willkĂĽrlich eine Art, Geld zu verdienen, höher besteuern als eine andere? Das kann nicht die Aufgabe des Staates sein. Dies verstösst gegen den Grundsatz der gleichmässigen Besteuerung und der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.
Neben der völlig vagen Begrifflichkeit – wer sind denn diese «Reichen» ganz konkret? – machen die Initianten eine gefährliche Fehlüberlegung: Von der 99%-Initiative sind all jene betroffen, die etwas Geld gespart oder eine Wohnung oder ein Haus gekauft haben. Wer ein Unternehmen führt, einen Bauernbetrieb besitzt oder auch an einem Start-up-Unternehmen beteiligt ist, muss mit dieser Initiative mehr Steuern zahlen. Die genaue Ausgestaltung der neuen Steuern lässt die Initiative zwar offen. Doch eines steht schon heute fest: Breite Kreise des Mittelstands müssen mit höheren und zusätzlichen Steuern rechnen.
Die KMU werden mit dieser InitiaÂtive frontal angegriffen. Zur Erinnerung: Der Wirtschafts- und Werkplatz Schweiz ist geprägt durch ÂGewerbebetriebe. Die KMU werden deshalb – völlig zu Recht – als ÂRĂĽckgrat unserer Volkswirtschaft Âbezeichnet. In Zahlen heisst dies: In der Schweiz sind 99,7 Prozent aller Unternehmen KMU. Mit ĂĽber drei Millionen Beschäftigten stellen sie zwei Drittel der Arbeitsplätze und können damit fĂĽr den Arbeitsmarkt nicht ĂĽberbewertet werden.
In der Schweiz sind 90% der Unternehmen Familienunternehmen. Ihnen drohen mit der 99%-Initiative massive Mehrbelastungen. Wenn Kapitaleinkommen höher Âbesteuert wird, fĂĽhrt dies zu einer Verknappung der verfĂĽgbaren finanziellen Mittel im Unternehmen. Ein massiver Kapitalabfluss wäre die Folge. Die Investitionsmöglichkeiten wĂĽrden empfindlich eingeschränkt. Das hemmt Innovation und Schaffung von Arbeitsplätzen. LeidtraÂgende sind also wiederum die Arbeitnehmer. Genau jene also, fĂĽr die sich die Linke angeblich einsetzt …
… was uns auf einen weiteren Schwachpunkt dieser schludrig formulierten Initiative bringt: Sie lässt völlig ausser Acht, dass Kapital die unverzichtbare Voraussetzung fĂĽr jede wirtschaftliche Tätigkeit ist. ÂOhne Kapital läuft erst einmal gar nichts. Dies hat Finanzminister ÂUeli Maurer im Nationalrat schön formuliert: «Wer aber Arbeit schaffen will, braucht zuerst Kapital. Er muss investieren, er muss in Arbeitsplätze investieren, muss Arbeitsplätze unterhalten, muss Innovation, Entwicklung, Forschung betreiben. Das alles braucht Geld. Ohne Kapital, das investiert werden kann, funktioniert das nicht. Kapital zu haben ist nichts Unmoralisches. Kapital zu haben ist die Voraussetzung fĂĽr wirtschaftliche Tätigkeit.»
Auch diese Sicht ist falsch, und vielleicht auch der Tatsache geschuldet, dass viele Jusos die Hörsäle besser kennen als die Werkhallen. Es ist doch so: Wer Kapital investieren will, muss dieses zuerst erarbeiten. Geld fällt nicht vom Himmel! Dies alles scheinen die Initianten zu vergessen. Wenn sie kritisieren, dass es auch Personen gibt, die ihr Kapital aus Erbschaften oder Schenkungen erhalten haben und auf diese Weise profitieren, so müssen sie ehrlicherweise bei der Erbschafts- oder der Schenkungssteuer ansetzen.
Käme die Initiative durch, so würde die Teilbesteuerung der Dividenden abgeschafft; Kapitalgewinne könnten sogar zu 150 Prozent steuerbar werden. Die Folge wären massive Nachteile für den Wirtschaftsstandort Schweiz und höhere Steuern für alle. Die Initianten übersehen, dass die unternehmerische Tätigkeit bereits heute stark – und sogar doppelt – besteuert wird. Ein Firmeninhaber versteuert seine Aktien sowohl in seiner privaten Steuererklärung als Vermögen auf kantonaler Ebene als auch in seiner Steuererklärung als juristische Person, z. B. als Aktiengesellschaft. Die Teilbesteuerung ist also eine absichtliche Milderung der Doppelbesteuerung. Sie ist politisch so gewollt – auch wenn dies der Linken nicht passt.
Auch dies trifft nicht zu. Betroffen sind alle Kapitalgesellschaften, Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Es gibt über 200 000 solcher Gesellschaften, die zu den KMU gezählt werden.
In den nächsten fünf Jahren muss mindestens jedes siebte KMU in der Schweiz, das sind mehr als 70 000 Unternehmen mit rund einer halben Million Arbeitsplätzen, eine Nachfolgelösung finden. Dieser Prozess ist für viele Firmen äusserst heikel. Wir wissen, dass bei rund 30 Prozent der Unternehmungen die Übergabe an die nächste Generation scheitert. Gerade in kleineren Familienbetrieben ist die Nachfolgeregelung bereits heute eine grosse Herausforderung. Und zwar auch ohne die Erschwernisse, welche durch eine neue Steuer drohen.
Über 90 Prozent der Nachfolgeregelungen erfolgen entgeltlich – auch innerhalb von Familien. In vielen Fällen übernimmt ein Kind als Nachfolger das Unternehmen, während die anderen Kinder im Rahmen der Erbteilung gleichmässig abgegolten werden müssen. Bei einer solchen Nachfolgeregelung wird die oftmals über Jahrzehnte aufgebaute Firmensubstanz übertragen. Aus dem Verkaufserlös müssen die abtretenden Eigentümer auch die Finanzierung ihres Lebensunterhalts im Alter sicherstellen.
Ein Ja zur 99%-Initiative wĂĽrde diese Ăśbertragung noch zusätzlich erschweren. Studien zeigen, dass die Initiative den Wert des Unternehmens in einer Nachfolgeregelung um bis zu 58 Prozent senkt. Noch deutlicher: Die Unternehmerin, die ihre Firma an die Nachfolge verkaufen möchte, mĂĽsste den Verkaufspreis um bis zu 165 Prozent erhöhen, um die neue Steuer abzugelten. Mit einem höheren Verkaufspreis wird es aber unwahrscheinlicher, ĂĽberhaupt eine Nachfolge zu finden. Kommt dazu: Der höhere Kaufpreis erschwert jĂĽngeren Berufsleuten die Ăśbernahme einer Firma, und damit auch den Schritt ins Unternehmertum. Das Resultat ist klar: Die KMU bezahlen die ÂZeche und werden in der Sicherung ihrer Zukunft massiv benachteiligt, falls diese Initiative durchkommt. Deshalb appelliere ich an alle, denen die Zukunft der Schweizer Wirtschaft – und insbesondere der KMU – am Herzen liegt, am 26. September diese zerstörerische InitiaÂtive zu verwerfen.
Gerhard Enggist
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