Publiziert am: 18.06.2021

Nur mässig überzeugend

AHV-REFORM – Frauen sollen ins­künf­tig bis 65 arbeiten. Die schrittweise Angleichung des Rentenalters soll von teuren Abfederungsmassnahmen be­glei­tet werden.

Ganze acht Stunden lang hat sich der Nationalrat mit der Reform der AHV auseinandergesetzt. Nicht alles, was beschlossen wurde, ist schlecht. Gesamthaft mag die AHV 21, die Reform zur Stabilisierung der staatlichen Altersvorsorge, aber nur bedingt zu ĂĽberzeugen.

Rentenalter 65 – für beide

Das Gute vorweg: Das Rentenalter soll neu einheitlich bei 65 Jahren festgesetzt werden, was zur Folge hat, dass die Frauen ein Jahr länger im Erwerbsprozess verbleiben. Das entschärft den Fachkräftemangel und entlastet die AHV jährlich um rund 1,4 Milliarden Franken. Wichtig: Aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung und verschiedener Umverteilungseffekte werden die Frauen auch in Zukunft noch deutlich mehr Geld aus der AHV beziehen können, als dass sie selber einzubezahlen haben. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die AHV auf dem Buckel der Frauen saniert werden soll.

Teure Abfederungsmassnahmen

Positiv ist auch, dass die Reform zügig voranschreitet und dass sie sich im Parlament auf solide Mehrheiten abstützen kann. Trotzdem wird es ein Referendum geben. Erteilt der Souverän der Vorlage seinen Segen – mit einer Volksabstimmung ist im kommenden Frühjahr zu rechnen –, wird die AHV 21 wohl auf Anfang 2023 in Kraft treten. Das ist wichtig. Bereits für das laufende Jahr wird ein negatives Umlageergebnis vorhergesagt. Zur Sicherung der Renten müssen die AHV-Finanzen daher rasch auf eine stabilere finanzielle Basis gestellt werden.

Die Lebenserwartung der Frauen ist immer noch rund vier Jahre höher als jene der Männer. Der Übergang zu einem einheitlichen Rentenalter sollte daher eine Selbstverständlichkeit darstellen. Das tut es aber leider nicht. Das links-grüne Lager, das sonst bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit nach umfassender Gleichstellung der Geschlechter schreit, läuft im Verbund mit den Gewerkschaften Sturm und bereitet sich auf ein Referendum vor. Und Mitte-Rechts ist der Meinung, dass die Angleichung des Rentenalters mit teuren Abfederungsmassnahmen aufgefangen werden müsse. Über die Frage, wie teuer diese Massnahmen tatsächlich sein sollen, scheiden sich die Geister. Der Ständerat möchte hierfür 400 Millionen Franken pro Jahr einsetzen, der Nationalrat sieht gegen 700 Millionen Franken vor.

Das Rentenalter soll nicht nur angeglichen, sondern auch flexibilisiert werden. Und es sollen Anreize geschaffen werden, damit noch mehr Arbeitnehmende über das ordentliche Rentenalter hinaus im Erwerbsprozess verbleiben – sei das als Vollzeit- oder als Teilzeitbeschäftigte. Auch das sind wichtige Korrekturen, um dem Fachkräftemangel, der sich im Zuge der demografischen Entwicklung weiter zuspitzen wird, entgegenzutreten.

Höhere Konsumsteuern

Ohne Mehreinnahmen geht es leider nicht. Der Ständerat möchte die Mehrwertsteuersätze um 0,3 Prozent erhöhen, der ausgabenfreudigere Nationalrat gar um 0,4 Prozent. Für den Schweizerischen Gewerbeverband sgv kommt nur die mildere Variante des Ständerats in Frage. Gerade in der Nach-Corona-Phase muss sich die Mehrbelastung der Wirtschaft und der Konsumenten auf ein absolutes Minimum beschränken.

Die Differenzbereinigung zwischen National- und Ständerat wird spannend. Möge sich die kleinere Kammer durchsetzen. Ihr Ansatz ist schlanker, kostengünstiger und damit wirtschaftsverträglicher. Und auch dieser Ansatz hat gute Chancen, sich in der Volksabstimmung durchzusetzen. Small is beautiful, das gilt auch für die AHV 21.

Kurz Gfeller, Vizedirektor sgv

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