Publiziert am: 01.05.2020

Prädikat ungenügend

KRITIK AN ARMEEEINSATZ – Aus Sicht vieler Arbeitgeber – und aus jener des Schweizerischen Gewerbeverbands – hat die Armee in Sachen Kommunikation rund um den Corona-Einsatz keinen guten Job gemacht. Die Kritik scheint zu wirken.

Die Truppe von Verteidigungsministerin Viola Amherd wird derzeit in manchen Medien und auf Social-Media-Kanälen richtiggehend gehypt. Nicht nur auf der Facebook-Seite der Schweizer Armee wird gelobhudelt, was das Zeug hält. Auch aus den Einsatzbetrieben ertönt grosses Lob. So dankt etwa das Kantonsspital Winterthur 48 Armeeangehörigen der Sanitätskompanie 3 – sie haben dort ein zweiwöchiges Praktikum geleistet.

Der Hintergrund: Im Zusammenhang mit dem Coronavirus hat der Bundesrat am 6. März einen Assistenzdienst der Armee beschlossen. Der Entscheid umfasste zunächst bis zu 800 Armeeangehörige (AdA) und wurde am 16. März auf bis zu 8000 Armeeangehörige erhöht.

Kritik an Kommunikation

Der Einsatz der AdA mag gut fürs Image der Armee sein. Auf Seiten der Arbeitgeber, deren Angestellte in höchst schwieriger Zeit ohne jegliche Vorwarnung aus den Betrieben herauskommandiert worden sind, herrscht deutlich weniger Freude. Warum sind so viele AdA aufs Mal mobilisiert worden, fragt sich manch ein Firmenchef. Weshalb wurde nicht gestaffelt aufgeboten? Und: War der Einsatz so vieler AdA überhaupt notwendig, haben sie tatsächlich alle jene Arbeiten verrichtet, für die sie in der Armee eingeteilt sind und ausgebildet wurden? Kurz: Rechtfertigt die Krise tatsächlich ­einen kurzfristigen, wochenlang dauernden Einsatz in dieser Grössenordnung auf Kosten der KMU?

Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands, hegt da grosse Zweifel. Insbesondere die ungenügende Kommunikation der Armee ist dem Zürcher Oberst i Gst aD suspekt. Unter dem Titel «ungenügende Kommunikationsführung der Armee» wandten sich Bigler und sgv-Präsident Jean-François Rime Ende März an die Chefin VBS. Die Wirtschaft sei derzeit «einem enormen Stresstest ausgesetzt». Vor diesem Hintergrund sei es «nicht nachvollziehbar, dass die Arbeitgeberschaft über derart einschneidende Massnahmen seitens der Armee unzulänglich informiert» worden sei. Wer von den Einsätzen betroffen sei und wie lange diese dauern würden, müsse geklärt werden. Ebenso müsse sichergestellt werden, «dass die Truppe vollumfänglich im Einsatz ist und keine Leerzeiten entstehen».

«Erforderliche Sorgfalt»

In einer internen Mail an die «geschätzte Triage» im Generalsekretariat des VBS wurde gleichentags gebeten, das «Schreiben von Hans-Ulrich Bigler» mit der «erforderlichen Sorgfalt zu beantworten»; zudem müsse intern geklärt werden, «wie die Kommunikation solcher Entscheide künftig erfolgen soll (z.B. vorgängige Konsultation mit den ­Stakeholdern)». Und nicht zuletzt: «Antwort soll auch beinhalten, was die Armee alles leistet».

So weit, so süss. Mit Brief vom ­6. April gelobte die Chefin VBS Besserung. Die «betroffenen Anspruchsgruppen, zu denen im konkreten Fall auch die Arbeitgeber gehören», seien künftig «umfassend einzubeziehen». Es treffe zu, dass dies der Armee bei der Kommunikation der Verlängerung der Wiederholungskurse nicht vollumfänglich gelungen sei. «Die Armee kann das besser, und sie wird das in Zukunft besser machen.» Nach Aufzählung der von rund 5000 AdA «rund um die Uhr» geleisteten Assistenzdienste weist Bundesrätin Amherd darauf hin, dass sie die ­«Befürchtung einer unausgelasteten Truppe» nicht teile.

Kritik zeigt Wirkung

Der sgv-Direktor seinerseits weist darauf hin, dass der Gewerbeverband den Bundesrat bei seinen Massnahmen in weiten Strecken unterstützt habe und diese im Grundsatz nicht infrage stelle. «Die Frage muss dennoch erlaubt sein: Gilt ein ‹Praktikum› von AdA im – allen Befürchtungen zum Trotz keineswegs überlasteten – Spitalwesen tatsächlich schon als ‹Einsatz›, wie dies nun kolportiert wird?» Betreffend Effizienz bzw. die Einsatztage fragt Bigler: «Wie viele Angehörige der Armee waren direkt in der Infrastruktur ziviler Einrichtungen tätig und wie viele Einsatztage wurden insgesamt geleistet?»

Im Übrigen scheint die Kritik des sgv auch über die aktuelle Debatte hinaus gewirkt zu haben. Der Bundesrat hat inzwischen beschlossen, dass der Bund die Differenz zwischen der Entschädigung der AdA aus der Erwerbsersatzordnung und dem vollen Erwerb übernimmt. Für ihren Assistenzdienst erhalten die Armeeangehörigen also den vollen Lohn. Zudem gelten die Einsätze als ordentliche Wiederholungskurse; darüber hinaus gehende Diensttage werden bis zu einem zweiten WK angerechnet.

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