Publiziert am: 24.01.2020

Sozialistisches Umverteilungsmonster

ALTERSVORSORGE – Das BVG muss rasch reformiert werden. Mit dem Modell der Gewerkschaften droht jedoch ein krasser ordnungspolitischer Sündenfall mit extrem hohen Mehrkosten. Trotzdem schickte SP-Sozialminister Alain Berset kurz vor Weihnachten genau diesen teuersten aller Lösungsansätze in die Vernehmlassung.

Zur Finanzierung des heutigen BVG-Mindestumwandlungssatzes von 6,8 Prozent müssen die Vorsorgeeinrichtungen eine Kapitalrendite von rund 5 Prozent erzielen. Das ist in Ausnahmejahren wie 2019 möglich, nicht aber im langjährigen Durchschnitt. Eine rasche Senkung des Mindestumwandlungssatzes ist daher unumgänglich. Sonst müssen weiterhin Mittel in Milliardenhöhe von den Erwerbstätigen zu den Rentnern umgeschichtet werden.

Eine substanzielle Senkung des Mindestumwandlungssatzes fĂĽhrt im Bereich des BVG-Obligatoriums zu sinkenden Renten. Diese Einbussen gilt es zu kompensieren. Das kostet sehr viel Geld. Ohne ausreichende Abfederungsmassnahmen droht der BVG-Reform aber ein erneutes Scheitern an der Urne.

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv hat dem Bundesrat Mitte 2019 einen Reformvorschlag unterbreitet. Dieser Lösungsansatz sieht bei jährlichen Mehrkosten von 1,3 Milliarden Franken eine weitgehende Kompensation der Renteneinbussen vor. Auch der Pensionskassenverband ASIP hat ein valables Modell eingereicht. Dieses ist mit Mehrkosten von gut zwei Milliarden Franken zwar spürbar teurer als das sgv-Modell. Dafür geht der ASIP-Ansatz aber auch einen Schritt weiter, indem er eine noch stärkere Senkung des Mindestumwandlungs­satzes fordert.

Berset hat sich für den teuersten Lösungsansatz entschieden

Kurz vor Weihnachten hat der Bundesrat seine Vorschläge für eine nächste BVG-Reform in die Vernehmlassung geschickt. Wie zu befürchten war, hat sich SP-Sozialminister Alain Berset für den mit Abstand teuersten Lösungsansatz entschieden. Bis auf wenige kleine Retuschen stützt sich die Vernehmlassungsvorlage auf ein vom Arbeitgeberverband unterstütztes Modell der Gewerkschaften ab. Dieses Modell sieht neben eigentlichen Kompensationsmassnahmen neu monatliche Zusatzrenten von bis zu 200 Franken vor, die nach dem Giesskannenprinzip an alle Neurentner zu verteilen wären. Das ganze Paket würde jährliche Mehrkosten von über drei Milliarden Franken auslösen.

Inakzeptable Zusatzrenten

Ein No-Go stellen die Zusatzrenten dar, die neu im BVG eingeführt werden sollen und die ungeachtet der Einkommenshöhe an alle Neurentner auszuschütten wären. Diese Zusatzrenten würden zu einer Sozialisierung der 2. Säule führen. Das bewährte 3-Säulen-Prinzip würde zerstört. Zur Finanzierung der Zusatzrenten müsste ein zusätzliches halbes Lohnprozent eingefordert werden. Das schwächt die Kaufkraft der Konsumentinnen und Konsumenten, mildert unseren Wohlstand und gefährdet zusätzliche Arbeitsplätze. Eine Umverteilung in der 2. Säule ist systemwidrig. Der soziale Ausgleich soll in unserer Altersvorsorge wie bis anhin über die AHV erfolgen. In der 2. Säule muss dagegen weiterhin das Einlageprinzip gelten. Zusatzrenten stellen einen ersten Schritt in Richtung Einheitskasse oder Volksrente dar und sind daher entschieden abzulehnen. Der Vernehmlassungsentwurf missachtet zudem den Volkswillen. Die Nachwahlbefragung zur Altersvorsorge 2020 hat ergeben, dass der dort vorgesehene AHV-Rentenzuschlag von 70 Franken der wichtigste Grund für die Ablehnung war.

Wenig zahlen und viel erhalten

Einmal mehr wären es die Jungen, die am stärksten unter der Einführung von Zusatzrenten zu leiden hätten. Denn die Vernehmlassungsvorlage sieht vor, dass die Zusatzrenten im Zeitverlauf sinken. Die ersten fünf Jahrgänge, die neu in Pension gehen, erhielten bis zu ihrem Lebensende monatlich 200 Franken. Danach ist eine gestaffelte Senkung auf 150 und 100 Franken vorgesehen. Wer später in Pension geht, erhält dann nur noch Brosamen.

Eine solche Ausgestaltung des Zusatzrentensystems ist – mit Verlaub – hirnwütig. Wer kaum zu deren Finanzierung beträgt, erhält die höchsten Leistungen. Und wer das System bis zu vierzig Jahre lang mitfinanziert, geht beinahe leer aus. Glücklicherweise zeichnet sich in der Vernehmlassung bereits ein recht breiter Widerstand gegen die von der NZZ als «Luxuslösung» titulierte Vorlage ab. Gut so. Die 2. Säule darf nicht zu einem sozialistischen Umverteilungsmonster verkommen.

Kurt Gfeller, Vizedirektor sgv

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