Publiziert am: 16.09.2022

Wie funktioniert das eigentlich?

STROMPREIS – Der Strompreis ist davon abhängig, ob Unternehmen in der Grundversorgung oder im «freien» Markt einkaufen. In beiden wird der Preis im nächsten Jahr steigen. Kal­ku­liert werden die Preise jeweils anders.

Lange Zeit lief der Strompreis unter dem Radar der Haushalte und Unternehmen. Jetzt gelingt ihm ein Comeback auf dem Sorgenbarometer. In der Grundversorgung wird der Strompreis nächstes Jahr um durchschnittlich 27 Prozent höher ausfallen. Im «freien» Markt betragen die Erhöhungen um die 500 Prozent. In einigen Fällen sind es sogar 1600 Prozent. Der Grund dafür: In Grundversorgung und Markt kommen jeweils unterschiedliche Kalkulationen zum Zug.

Grundsätzlich werden alle Stromverbraucher vom lokalen Versorger mit Strom bedient. Das nennt man umgangssprachlich Grundversorgung. Der Strompreis darin besteht aus einem Energie-, einem Netz- und einem Abgabenanteil. Dabei können stromintensive Unternehmen von einigen Abgaben befreit werden.

In der Grundversorgung werden die Preise von der eidgenössischen Elektrizitätskommission Elcom auf der Basis der Gestehungskosten der Stromproduktion plus eines angemessenen Gewinns für die Stromunternehmen jeweils auf das nächste Jahr gesetzt. Die Tarifierung für das Jahr 2023 wurde anfangs September 2022 bekannt gegeben.

Beispiel Grundversorgung

Ein Beispiel: Ein Stromverbraucher der Kategorie H4 – das ist eine der üblichsten – bezahlt im aargauischen Wettingen 19,53 Rappen pro Kilowattstunde im Jahr 2022. Im Jahr 2023 werden es 31,47 Rp./kWh sein. Das entspricht einer Erhöhung von über 60 Prozent.

Wie setzen sich diese Beträge zusammen? Teil des Strompreises ist der Netzzuschlag gemäss Energiegesetz. Er beträgt 2,3 Rp./kWh und bleibt nächstes Jahr unverändert. In diesem Beispiel, genauso wie in zahlreichen anderen Gemeinden, gibt es noch eine lokale Abgabe. Sie beträgt jetzt 0,85 und steigt auf 1,1 Rp./kWh. Auf die Netznutzung gehen 9,52 Rp./kWh. Im nächsten Jahr verteuert sie sich auf 10,4.

Was wirklich einschenkt, ist der Energieanteil. Bezahlt man heute in Wettingen 6,86 Rp./kWh dafür, wird er nächstes Jahr 17,67 betragen. Das ist eine Erhöhung um mehr als 150 Prozent.

Was weiter zu beachten ist: Gemäss der vom Volk angenommenen Energiestrategie 2050 hätte sich der Strompreis schon in den letzten Jahren stets verteuern müssen. Selbst mit den happigen Tariferhöhungen für 2023 verbleibt der Strompreis unter den Modellrechnungen der Energiestrategie.

Kein Wettbewerb im «freien» Markt

Unternehmen mit mehr als 100 000 Kilowattstunden Stromverbrauch im Jahr können freiwillig die Grundversorgung verlassen und sich im «freien» Markt mit Strom eindecken. Einmal frei, immer frei – heisst der Grundsatz. Firmen, die in den Markt gewechselt sind, können nicht in die Grundversorgung zurück.

«der ‹freie› Strommarkt ist kein wettbewerblich freier Markt, sondern ein Oligopol.»

Im «freien» Markt können sich die Unternehmen zum jeweils geltenden Marktpreis, Spot genannt, eindecken. Sie können auch mit einzelnen Anbietern Verträge auf mehrere Jahre abmachen. Diese Stromverbraucher bezahlen den Spot- oder Termingeschäftspreis für die Energie – je nach dem Stand der Marktpreise. Zusätzlich müssen sie noch für das Netz bezahlen. Diese Tarife werden von der Elcom gemacht.

Doch der «freie» Strommarkt ist kein wettbewerblich freier Markt, sondern ein Oligopol. Der Zugang zum Markt als Anbieter ist besonders schwer. Die wenigen, die es gibt, behalten eine jeweils gehörige Marktmacht. Kommt es zu Verknappungen, ist es eher unwahrscheinlich, dass man als Kunde überhaupt mit einer Offerte bedient wird. Das heisst, in einer Verknappungssituation ist man beim bisherigen Lieferanten gebunden und muss dessen Preise akzeptieren.

Kaum Handlungsmöglichkeiten

Wie kann sich heute eine Firma wehren, wenn die Stromofferte für das nächste Jahr 500 Prozent höher ist als der aktuelle Preis? Die ehrliche Antwort ist: Man kann nichts tun. Unternehmen, die im «freien» Markt sind, können sich zu einer Verbrauchsgemeinschaft zusammenschliessen. Das ist eine neue juristische Person, und diese könnte in der Grundversorgung verbleiben. Aber auch hier gelten Vorschriften. Diese Gemeinschaften müssen einen minimalen Anteil des Eigenbezugs selbst herstellen.

Firmen, die bereits in der Grundversorgung sind, können den Preiserhöhungen nur mit einer Reduktion des Stromverbrauchs begegnen. Im Rahmen der Zielvereinbarungen über die Energieagentur der Wirtschaft kann das aber zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit führen. Und zur Befreiung von einigen Abgaben.

Henrique Schneider, stv. Direktor sgv

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