Publiziert am: 24.01.2025

Sich nicht abhängig machen

Rahmenbedingungen – «Unabhängig davon, ob die Schweiz die neuen Verträge mit der EU abschliesst oder nicht, braucht es ein Revitalisierungsprogramm für die Wirtschaft», sagte sgv-Direktor Urs Furrer in Klosters. Und einen Abbau von Regulierungen.

Zum Abschluss der 75. Gewerblichen Winterkonferenz widmete sich sgv-Direktor Urs Furrer in seinem Vortrag der Frage, welche Rahmenbedingungen die Schweizer KMU brauchen. Hierfür warf er zuerst einen Blick zurück. So sei das Gewerbe in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark vom Bund abhängig gewesen. «Die Staatsgläubigkeit war fest verankert.» Der sgv forderte beispielsweise ein Verbot von Warenhäusern. «Zum Glück kam es nicht dazu. Denn hilft dir der Staat heute, so nimmt er dich morgen an die Kandare», warnte Furrer.

«hilft Dir der Staat heute, so nimmt er Dich morgen an die Kandare.»

Mittlerweile plädiert der sgv seit vielen Jahren gegen Staatshilfe. «Dafür soll der Staat die KMU in Ruhe lassen und keine weiteren Abgaben und Verbote beschliessen, die das Gewerbe behindern.» Diese Position wurde in den 1970er-Jahren im «Wildhaus-Papier» verankert. Der KMU-Dachverband hielt darin seine Einwirkung auf die staatliche Politik im Interesse des Gewerbes fest. Ausserdem sprach er sich für den Erhalt der freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung aus – basierend auf den Prinzipien von Privateigentum, Privatwirtschaft und Wirtschaftsfreiheit. So ist es auch in der Jubiläumsschrift zum 125. Geburtstag des sgv nachzulesen.

Unterschiedliche Meinungen zum EWR-Beitritt

Interessant ist auch Folgendes: Bis in die 1980er-Jahre lehnte der sgv fast alle aussenpolitischen Vorlagen ab – inklusive des UNO-Beitritts. Beim EWR 1992 gingen die Meinungen dann auseinander. Geschäftsstelle und Vorstand sprachen sich gegen den Beitritt aus. Ein ausserordentlicher Gewerbekongress kehrte diesen Entscheid aber um und beschloss knapp die Ja-Parole. Das Volk entschied sich gegen den EWR-Beitritt, der sgv gehörte zu den Abstimmungsverlierern.

«Bereits damals hiess es, der Bundesrat kommuniziere nicht ausreichend», schlug Furrer den Bogen in die Gegenwart zum heutigen Vertragspaket zwischen der Schweiz und der EU. Dass das Rahmenabkommen gescheitert ist, sei wohl gut gewesen. Das jetzige Resultat scheine besser zu sein. Doch der sgv könne erst eine Beurteilung vornehmen, wenn der Vertragstext vorliege, was im Frühling der Fall sein dürfte.

«Wir müssen wieder Klartext reden und angriffiger kommunizieren.»

Wichtig sei, sich nicht von den sachfremden Forderungen der Gewerkschaften erpressen zu lassen. Zudem seien die institutionellen Elemente genau zu prüfen – samt deren Auswirkungen auf die KMU. «Hierbei müssen wir einbeziehen, dass diese Spielregeln auch für künftige Abkommen festgelegt werden», erklärte Furrer.

Ăśber eine Milliarde Franken an Kosten

Unabhängig vom Ausgang über die Verträge mit der EU plädierte Furrer für ein Revitalisierungsprogramm für die Wirtschaft. Das vom sgv initiierte Unternehmensentlastungsgesetz (UEG) spiele hierfür eine wichtige Rolle. Dieses verankert Massnahmen zur Senkung von Regulierungskosten, und diese Kosten müssen neu geschätzt und ausgewiesen werden. Die Vorlage von Bundesrat Beat Jans zur verschärften Nachhaltigkeitsberichterstattung werde die Wirtschaft wohl über eine Milliarde Franken kosten, schätzte Furrer.

Die Berufsbildung hob er speziell hervor: «Sie ist unser Unique Selling Point. Hier machen unsere Kantonalverbände und die Branchen einen Tob-Job.»

Wehren müsse sich der sgv gegen den immer übergriffigeren Staat – zum Beispiel bei der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW). Die Verwaltung will diese immer mehr unter ihre Fittiche nehmen. Generell schleiche sich überall eine schädliche Form von Planwirtschaft ein, so Furrer unter anderem mit Blick auf die vom Parlament beschlossenen industriepolitischen Massnahmen. Zugunsten einer verlässlichen und kostengünstigen Energieversorgung warb der sgv-Direktor für ein Zusammenspiel aller Energieträger. Den Atomausstieg bezeichnete er ausdrücklich als Fehler.

Zum Schluss betonte Urs Furrer in einer Art Aufruf: «Wir müssen wieder Klartext reden und angriffiger kommunizieren.»

hug

Mehr zur Winterkonferenz 2025: www.sgv-usam.ch/gwk25

Blick in die Zukunft

Viele Hypes: «Jeden Tag eine neue Welt»

Vor Furrers Vortrag warf der Futurist, Philosoph und mehrfache Autor David Bosshart einen Blick in die Zukunft. «Die Schweiz 2030 im neuen Umfeld: Unwahrscheinliches wird wahrscheinlicher» lautete der Titel seines Gastreferats. «Wir leben in einer Zeit der vielen Hypes», erklärte er. Die Zukunft komme in Schocks, und es regiere Herdentrieb. Immer mehr Kurzfristigkeit führe jeden Tag «zu einer neuen Welt». Ausserdem gebe es weltweit einen Trend hin zum Autoritären. Bosshart kam zum Schluss, dass die Schweiz privilegiert und ihre Kleinheit ein grosser Vorteil sei. «Menschen in kleinen Organisationen sind glücklicher.» Aber: «Wir müssen künftig viel mehr machen, um gleich reich zu bleiben.» Eine gute (Aus)Bildung sei dafür sehr wichtig.

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