Publiziert am: 24.01.2025

Sicherheit ist nicht verhandelbar

VERSORGUNGSSICHERHEIT – Um die Schweiz der Zukunft mit genügend Energie zu versorgen, braucht es alle Energieträger. Nur ein Mix von Technologien – und zudem mehr Markt und weniger Planwirtschaft – können auf lange Sicht die Versorgungssicherheit unseres Landes garantieren. Dies das Fazit einer Diskussion an der 75. Gewerblichen Winterkonferenz in Klosters.

Der Donnerstagmorgen im Programm von «Klosters 2025» war dem Thema «Energie und Versorgungssicherheit» gewidmet. Lino Guzzella, bis 2019 Präsident der ETH Zürich, stellte gleich zu Beginn seines Referats klar: «Die Welt hat kein Energieproblem. Die steigende CO2-Konzentration und das daraus resultierende, sich erwärmende Klima sind die Probleme, die einer Lösung harren.» Und der Energieexperte weiter: «Die massive Erwärmung im Jahr 2024 ist darauf zurückzuführen, dass die Seeschifffahrt keine schwefelhaltigen Treibstoffe mehr verbrauchen darf – und die daraus resultierende Klimakühlung weggefallen ist.»

Die Schweiz brauche sehr viel mehr elektrische Energie, um die angestrebte Defossilisierung voranzutreiben. Doch die vom Volk angenommene Energiestrategie 2050, die dieses Ziel anstrebt, «geht nicht auf», ist sich Guzzella sicher. Im Winter werde es der Schweiz massiv an Energie fehlen. Der Strom, der so stark zulegen müsse, werde teurer – «bei 100 Prozent Erneuerbaren sogar schweineteuer».

Wohlstand steht auf dem Spiel

Guzzella stellte fest, dass die USA Europa in den vergangenen 15 Jahren ökonomisch abgehängt haben. Grund: eine verfehlte Energiepolitik diesseits des Atlantiks. «Wir setzen unseren Wohlstand aufs Spiel, wenn wir weiterhin der grossen Illusion erliegen, Sicherheit, Geld und auch Energie seien gratis zu erhalten.» Das Problem CO2 bedürfe einer ökonomischen statt einer ideologischen Herangehensweise – «wir müssen uns von unredlichen Fantastereien lösen und wieder beginnen, zu arbeiten statt zu träumen.» Der Ausstoss von Treibhausgasen müsse weltweit einen Preis bekommen, es dürfe keine Denkverbote mehr geben – und Forschung und Entwicklung seien die besten Investitionen, um das globale Problem zu lösen.

«Wir leben von der Substanz»

Axpo-CEO Christoph Brand knüpfte an Guzzellas Aussagen an. Dass der CO2-Ausstoss einen Preis habe, sei «extrem wichtig». Die erneuerbaren Energien würden weltweit massiv ausgebaut – eine Entwicklung, die von drastischen Kostensenkungen angetrieben werde. Die «Winterstromlücke» könne dennoch nicht aus Schweizer Produktion geschlossen werden. Der Import von Strom bleibe wichtig, Autarkie eine Illusion – und ein Stromabkommen der Schweiz mit der EU deshalb umso wichtiger. «Wir leben seit Jahren von der Substanz, die Entsolidarisierung wächst», und das «Energietrilemma» – das Zusammenspiel zwischen Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit – sei nicht gelöst. Die Gesellschaft müsse einen Grundsatzentscheid treffen; für jedes Szenario brauche es einen Kompromiss. Nebst einem Stromabkommen seien die Laufzeitverlängerung für bestehende Kernkraftwerke, der grossflächige Bau von Windrädern und – für Dunkelflauten – der Bau neuer Gaskraftwerke vonnöten.

Schweiz muss sich entscheiden

Auf dem Panel zum Thema «Erdöl und Erneuerbare – substitutiv oder komplementär?» diskutierten nebst Christoph Brand: Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse, Olivier Waldvogel, Verantwortlicher für die Deutschschweiz, Suisse Eole (Schweizerische Windenergie-Vereinigung), und Matthias Egli, Geschäftsführer Swissolar (Schweizerischer Fachverband für Sonnenenergie), unter Leitung von «Nebelspalter»-Chefredaktor Markus Somm.

Für Bilang ist klar: «Erdöl ist und bleibt wichtig. Solar und Wind werden den Wegfall der KKW nicht annähernd ersetzen können.» Waldvogel zeigte sich überzeugt, dass die Technologien vorhanden seien, fossile Energieträger während des Übergangs zu einer neuen Energiewelt effizient einzusetzen. «Es braucht alle möglichen Technologien, aber sicher keine Denkverbote.» Für Egli wird Solarenergie nach wie vor stark unterschätzt; allein werde sie aber das Problem nicht zu lösen vermögen. Und Brand plädierte für «ehrliche Szenarien» und mehr Kostenwahrheit gegenüber allen Formen der Energieerzeugung.

Auf einem weiteren Panel «Strom und Gas – zwei Verbündete?» diskutierten Yves Zumwald, CEO Swissgrid, Michael Frank, Direktor Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE, und Daniela Decurtins, Direktorin Verband der Schweizerischen Gasindustrie VSG. Auch hier lautete das Fazit: Es braucht alle Energieträger, nur ein Mix von Technologien – und zudem mehr Markt und weniger Planwirtschaft – können auf lange Sicht die Versorgungssicherheit garantieren.

Klar ist: Die Schweiz wird sich bald entscheiden müssen. Das Zeitfenster wird sehr rasch enger, der Druck steigt. Denn Sicherheit – auch Versorgungssicherheit – ist nicht verhandelbar.En

Mehr zur Winterkonferenz 2025: www.sgv-usam.ch/gwk25

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