Publiziert am: 13.05.2022

Die Meinung

Gleichstellung subito – aber nicht mit uns …

Gleichstellung: das Thema, das SP und Grüne verbindet. Je gleicher, desto besser, scheint es – so lange, bis kaum mehr Unterschiede auszumachen sind zwischen Männern und Frauen. Doch wenns dann konkret wird, ist Schluss mit dem Gerede von immer mehr Gleichheit. So haben die Linken unter Führung der SP das Referendum gegen die AHV-Reform ergriffen. Mit allen Kräften stemmen sie sich gegen eine Angleichung des Rentenalters für Männer und Frauen bei 65 Jahren. «Frauen haben Besseres verdient, als sich anhören zu müssen, ohne Frauenrentenalter 65 würde die AHV zugrunde gehen», heisst es etwa bei der SP. Und bei den Grünen tönt es so: «Eine Reform der AHV auf Kosten der Frauen ist ein No-Go.» Auf einen kurzen Nenner gebracht, bedeutet diese Haltung vor allem eines: Gleichstellung ja – aber bitte nicht mit uns!

Interessant ist jedoch: Gemäss dem Forschungsinstitut Demoscope sagen derzeit satte 62 Prozent der SP-Sympathisantinnen Ja zum Rentenalter 65 für Frauen. Bei den Grünen sind es 59 Prozent.

Wie es aussieht, politisieren die Spitzen von SP und Grünen also ganz gehörig an ihrer Basis vorbei. Denn die Unterstützung für ein gleiches Rentenalters setzt sich offenbar auch in der Linken zunehmend durch. Bleibt es dabei, so dürfte die AHV-Reform im kommenden Herbst an der Urne Bestand haben.

Ohne ideologische Scheuklappen ist festzustellen: Die AHV-Reform ist dringend. Denn die AHV ist langfristig defizitär; es droht eine gigantische Finanzierungslücke. Die UBS hat in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg im Breisgau jüngst errechnet, dass die gemäss geltendem Recht abgegebenen AHV-Rentenversprechen die künftigen Einnahmen um 900 Milliarden Franken übersteigen werden. Diese Finanzierungslücke entspricht circa 126 Prozent des aktuellen Bruttoinlandprodukts oder dem achtzehnfachen Betrag der aktuellen jährlichen AHV-Einnahmen. Wer die Augen vor der Realität nicht ganz verschliesst, der sieht: Die AHV ist ein dringender Sanierungsfall.

Mit der AHV 21 steht ein erster Sanierungsschritt an, mit dem das Betriebsergebnis der AHV um gut zwei Milliarden Franken pro Jahr aufgebessert werden soll. Das reicht aus, um die AHV-Finanzen bis etwa im Jahre 2030 im Lot zu halten. Danach braucht es weitere, noch griffigere Reformen. Die AHV 21 ist wichtig und unumgänglich. Aber eben auch unzureichend, weil sie die Finanzierungslücke der AHV von 900 Milliarden «bloss» auf 650 Milliarden Franken reduziert.

Rentenalter 65/65 ist nichts Neues für die AHV. Als diese 1948 in Kraft gesetzt wurde, fixierte man das Rentenalter für Mann und Frau einheitlich bei 65 Jahren. Da es der AHV in der Gründungsphase finanziell blendend ging, beschloss das Parlament, das Frauenrentenalter Ende der Fünfziger- und Anfang der Sechzigerjahre etappiert auf 62 Jahre zu senken. Es heute wieder auf 65/65 anzugleichen, hat demnach rein gar nichts mit dem abgedroschenen linken Kampfbegriff vom vermeintlichen «Rentenklau» zu tun. Es ist schlicht ein Akt der Vernunft.

Die Lebenserwartung steigt markant – gearbeitet wird immer noch etwa gleich lang wie in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Die Löcher, die sich deswegen in der AHV-Kasse zu öffnen beginnen, sind furchterregend. Wer rasche Korrekturen verweigert, handelt verantwortungslos. Die Führungsspitzen der Linken tun gut daran, sich diesen Tatsachen endlich zu stellen. So, wie es eine Mehrheit ihrer Basis offenbar heute schon tut.

Lesen Sie dazu auch

Weiterführende Artikel

Weiterführende Artikel

Meist Gelesen