Publiziert am: 12.12.2014

Höhere Berufsbildung – Kaderschmiede für KMU-Wirtschaft Ein Erfolgsrezept für die Zukunft

JAHR DER BERUFSBILDUNG – Gemäss Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv, hat das duale 
Berufsbildungssystem mit den ersten nationalen Berufsmeisterschaften die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit bekommen, die es verdient. Jetzt gilt es auf dem politischen Parkett, das heisse Eisen weiterzuschmieden.

Das offizielle Jahr der Berufsbildung 2014 ist bald vorbei. Welche Botschaft konnte in diesem Rahmen der Ă–ffentlichkeit vermittelt werden?

Hans-Ulrich Bigler: Es ist uns sicher gelungen, den Jugendlichen im Berufswahlalter und vor allem auch ihren Eltern hautnah die Stärken einer Lehre zu demonstrieren. Wir konnten ihnen veranschaulichen, wie attraktiv die Berufsbildung ist, bzw. welche vielfältigen Karrieremöglichkeiten sie bietet.

Welches waren die wichtigsten 
Höhepunkte des Jahres der Berufsbildung?

Dass der Bundesrat überhaupt das Jahr der Berufsbildung lanciert hat und so sowohl die Öffentlichkeit, die Medien als auch die Politik dafür sensibilisiert hat. Als Hauptanlass sind sicher die SwissSkills Bern 2014 der absolute Höhepunkt gewesen.

Die Berufsbildung ist ein Kerngeschäft des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv. Wo liegen denn die Stärken unserer Berufsbildung?

Der sgv hat 2006 erreicht, dass die Anerkennung der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung in der Bundesverfassung verankert wurde. Dieses Prinzip sollte nun endlich umgesetzt und aktiv gelebt werden. Die Stärke der Berufsbildung liegt vor allem darin, dass sie nahe am Arbeitsmarkt und praxis­orientiert ist, da die einzelnen Berufsverbände und Organisationen der 
Arbeitswelt OdA mit grossem Engagement inhaltlich mitwirken und 
die Ausbildung auf zwei Schienen, 
sowohl im Betrieb als auch in der Schule, erfolgt. Zudem besteht eine Verbundpartnerschaft zwischen Wirtschaft, Bund und Kantonen, was eine schweizweite Umsetzung sicherstellt.

Wo soll die Höhere Berufsbildung (HBB) in ein paar Jahren stehen?

Die Höhere Berufsbildung ist die Kaderschmiede für unsere KMU-Wirtschaft. Dies muss mit der Anerkennung der Gleichwertigkeit von akademischem und berufsbildendem Weg endlich klar ersichtlich sein und auch politisch kommuniziert werden. Wir brauchen dringend sowohl auf finanzieller Ebene wie auch in der Titelfrage eine Besserstellung der Höheren Berufsbildung.

Wo liegen in der Berufsbildung zurzeit die grössten Herausforderungen?

Der demographische Rückgang der Jugendlichen bis 2018 hat zur Folge, dass uns der Berufsnachwuchs fehlt. Zudem sind für viele Lehrbetriebe Jugendliche mit einem leistungsschwachen Schulrucksack ein grosses Problem und es herrscht ein 
Lehrlingsmangel. Hinzu kommt der Fachkräftemangel generell.

Das duale Bildungssystem mit dem Modell der Durchlässigkeit scheint trotz der enormen Entwicklung im letzten Jahrzehnt noch immer zu wenig bekannt zu sein. Wo muss man da den Hebel ansetzen?

Für den sgv ist klar, dass wir bereits ab der siebten obligatorischen Klasse mit der Berufswahlvorbereitung beginnen müssen. Und zwar auf allen Niveaus, auch bei den zukünftigen Gymnasialschülerinnen und -schülern. Lehrpersonen wie auch Eltern müssen unbedingt besser über die Karrieremöglichkeiten der Berufs­lehre und deren Durchlässigkeit informiert werden. Hier gehört die Aufwertung der Höheren Berufsbildung ebenfalls dazu.

Der sgv und die KMU Frauen Schweiz lancieren einen neuen eidgenössischen Fachausweis. Wieso ist die Stärkung der Frauen in der Höheren Berufsbildung so wichtig?

Die Frauen sind in der KMU-Wirtschaft sehr wichtig. Dies zeigt die Studie «Bedeutung und Positionierung von Frauen in Schweizer KMU» vom Schweizerischen Institut für Klein- und Mittelunternehmen der Universität St. Gallen. Ihre Mitarbeit ist unverzichtbar. Leider wurden 
ihre Leistungen bis anhin nicht in der nötigen Weise berücksichtigt. Mit dem neuen Fachausweis «Unternehmensführung KMU» geben wir ihnen die Möglichkeit, dass ihre Arbeit in der KMU-Wirtschaft offiziell anerkannt wird und sie ihre berufliche Kompetenz schwarz auf weiss vorweisen können.

Corinne Remund

«Die Mitarbeit der KMU Frauen ist unverzichtbar und soll mit dem neuen Fachausweis offiziell anerkannt werden.»

Bildung ist bekanntlich der wichtigste Rohstoff der Schweiz. Doch die Maturitätsquote liegt in unserem Land bei 
34 Prozent. Das scheint im Vergleich mit 
50 Prozent in Deutschland oder gar 
90 Prozent in Finnland bescheiden. Sollten wir also möglichst viele Schüler auf den akademischen Bildungsweg schicken? Kaum. Ein Blick auf die Jugendarbeitslosigkeitsquoten zeigt nämlich, dass die Schweiz mit lediglich drei Prozent eine der tiefsten Quoten in Europa aufweist. Die zwei Drittel der Jugendlichen, welche bei uns eine berufliche Grundausbildung absolvieren, sind also bestens auf die Anforderungen der Berufswelt vorbereitet. Bei Absolventen einer universitären Ausbildung trifft dies nicht immer zu.

Natürlich braucht die Schweiz als High-Tech-Wirtschaft möglichst hochqualifizierte Arbeitskräfte – und damit auch fähige Akademiker. Vor allem aber brauchen wir gut ausgebildete Fachkräfte, die aus Erkenntnissen der Forschung innovative Produkte herstellen können. Dies verlangt nach einem Bildungssystem, das möglichst durchlässig ist und es Jugendlichen genauso wie Erwachsenen ermöglicht, sich auf jeder Stufe weiterzubilden. Nur sollten die verschiedenen Bildungsgänge möglichst harmonisiert und auch international anerkannt werden. Hier gibt es sicher noch Verbesserungspotenzial. Trotzdem, unser duales Bildungssystem ist ein echtes Erfolgsrezept, das sowohl in Europa als auch in Übersee immer wieder als vorbildlich wahrgenommen wird. Wir sollten ihm Sorge tragen und es weiter ausbauen.

«Unser duales 
Bildungssystem 
ist ein echtes 
Erfolgsrezept – 
wir sollten ihm 
Sorge tragen und es 
weiter ausbauen.»

Christine Novakovic,
Leiterin UBS Firmen- und institutionelle Kunden und Investment Bank Schweiz.

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