Publiziert am: 21.03.2014

Keine Wettbewerbsfähigkeit mehr

MINDESTLOHN-INITIATIVE – Ein Mindestlohn hat besonders starke Konsequenzen auf strukturschwache Berg- und Randregionen. Im Gastgewerbe, aber auch in Wäschereien führt diese Forderung zu Konkurrenznachteilen und massiven Arbeitsplatzverlusten.

Bei der Forderung nach einem Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde wird die Situation der strukturschwachen Gebiete und Grenzregio­nen völlig ausser Acht gelassen. Illustriert werden kann dies am Beispiel des Kantons Graubünden. Diesen Kanton trifft es doppelt hart, sowohl als Grenzregion zu Italien als auch als Tourismuskanton, der vom Gastgewerbe und der Hotellerie abhängig ist. «Wir leben stark vom Tourismus. Bereits jetzt spüren wir den massiven Kostendruck der Gastronomie. Dieser wird mit einem Mindestlohn noch verstärkt, was fatale Auswirkungen auf die Tourismusbranche haben wird», betont Jürg Michel, Direktor des Bündner Gewerbeverbandes. Gerade kleine Betriebe, deren Ertragssituation momentan gerade knapp im grünen Bereich seien, könnten einen Mindestlohn nicht zahlen. «Heute wird dem Tourismus schon zu Unrecht vorgeworfen, dass er im Vergleich zum Ausland zu teuer ist. Ein Lohnschub würde dazu führen, dass die Leistungen noch teurer werden, aber dieselben bleiben und wir weniger Gäste haben», so Michel.

Als Grenzkanton hätte Graubünden an einem Mindestlohn arg zu beissen. Dabei würde zum Beispiel das Bündner Autogewerbe massiv unter Druck geraten: «Die Autobranche hat in unserem Kanton keinen Gesamtarbeitsvertrag GAV, weil unter andrem innerhalb des Kantons ein massives Lohngefälle herrscht», erklärt Michel. Bereits heute sei die Wettbewerbsfähigkeit einer Autogarage im grenznahen Gebieten bedroht. «Ein Automechatroniker in Posciavo steht direkt in Konkurrenz mit dem italienischen Kollegen im 3,4 Kilometer entfernt Tirano. Dort verdient ein Automechantroniker einen Monatslohn von 1500 Euro, dementsprechend sind die Reparaturkosten massiv günstiger als bei uns in der Schweiz», veranschaulicht Michel. «Der geforderte Mindestlohn würde zu einem nicht verkraftbaren Lohnschub und radikalem Arbeitsplatzverlust führen. Dies wiederum würde in den grenznahen Ortschaften die Wertschöpfung mindern und die Negativspirale nimmt ihren Lauf bis hin zur Abwanderung», skizziert der Jurist ein düsteres Bild.

Wäschereien mehr unter Druck

Der Mindestlohn wäre auch für die Wäschereien eine «Jobvernichtungsmaschine». Dies bestätigt Claudio Hauser, Geschäftsführer der Zentralwäscherei Chur. In der Industriewäscherei arbeiten über 50 Mitarbeitende. 70 Prozent der Kunden stammen aus dem Gesundheitswesen, der Rest aus der Gastronomie und Hotellerie. Für die Branche wäre ein Mindestlohn fatal. «Die Lohnerhöhung, verifiziert durch eine weitere Grosswäscherei, wäre bei uns ca. 10 bis 12 Prozent bei einer Annahme der Initiative. Umgerechnet auf ca. 50 Prozent Lohnkosten der Gesamtkosten einer Wäscherei, ergäbe dies eine Preissteigerung unserer Dienstleistungen von 5 bis 6 Prozent.» Diese Zahl erscheine im ersten Moment nicht sehr hoch. Mit dem Hintergrund aber, dass der Druck aus dem Ausland auf die Branche jetzt schon spürbar sei und noch stärker und dabei mit verschiedenen Ellen gemessen werde, relativiere den Kostenzuwachs erheblich.

«Wir würden 2 ½- bis 3 Mal so teuer als unsere Kollegen im Ausland.»

«Die Erhöhung kann nicht ohne weiteres an unsere Kunden weitergegeben werden, da sie grösste Probleme haben, die Kosten im Griff zu halten, um globale marktwirtschaftliche Dienstleistungen zu erbringen. Ebenso ergeht es dem Gesundheitswesen und dem Tourismus», gibt Hauser zu bedenken und ergänzt: «Um konkurrenzfähig bleiben zu können, müssten die meisten Wäschereien ihren Betrieb automatisieren und Personal abbauen. Damit würden aber gerade diejenigen getroffen, nämlich Wiedereinsteigerinnen und ausländische Nachzügler, die die Initiative eigentlich schützen möchte.»

Auch für Christoph Papritz der Wäscherei Papritz AG im bernischen Rüdtligen hätte ein Mindestlohn katastrophale Auswirkungen. «Wir könnten weniger bis gar keine ungelernten Leute mehr anstellen, möglichst alle bisherige Handarbeit müsste maschinell verrichtet werden.» Als Präsident des Verbandes Textilpflege Schweiz VTS kennt er sich mit der Situation der Branche bestens aus und bestätigt den massiven Druck von aussen: «Bereits heute sind wir mit den Endkosten 20 bis 25 Prozent teurer als das Ausland. Mit dem Mindestlohn, welcher das 2- bis 3-Fache der Löhne im Ausland beträgt, stiege diese Differenz auf bis zu 50 Prozent.

Man bedenke, dass bei einer 42- bis 45-Stunden-Woche weit mehr als 4000 Franken im Monat gezahlt werde müsste. Grenznahe Betriebe sähen sich genötigt, ihre Unternehmen ins benachbarte Ausland auszulagern. «Heute schon werden an den Grenzübergängen keine Zollkontrollen gemacht, was den Wäschetourismus begünstigt und unsere Wettbewerbsfähigkeit untergräbt. Mit Mindestlohn könnten zudem auch die Textilreinigungen in Grenzgebieten nicht mehr mithalten», ist Papritz überzeugt.

Corinne Remund

 

 

Zahlen & Fakten

Im Ausland 50 Prozent günstiger produzieren

Zurzeit beträgt der Mindestlohn bei deutschen Wäschereien ca. 8.60 Franken ∕Std. (7.00 Euro ⁄Std.). In Schweizer Grosswäschereien liegt dieser bei ca. 18.00 Franken ⁄Std., also ca. 110 Prozent gegenüber dem deutschen Mindestsalär. Nach der Einführungsfrist der deutschen Mindestlohnanforderungen und einer Annahme der Schweizer Initiative wäre der Unterschied von 10.80 Franken ⁄Std. in Deutschland und 22.00 Franken ⁄Std. in der Schweiz immer noch ca. 104 Prozent, also die deutschen Wäschereien könnten immer noch mindestens 50 Prozent günstiger produzieren als die Schweizer (ausschliesslich auf die Personalkosten bezogen). Bei einer Ablehnung der Mindestlohn-Initiative wäre der Unterschied zwar immer noch über 65 Prozent, aber zumindest im europaweiten Markt etwas angeglichener.

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