Publiziert am: 08.04.2022

«Ohne Öl kein Klimaschutz»

DANIEL HOFER – «Staatliche Eingriffe wirken sich demotivierend und wohlstandshemmend aus», sagt der Präsident von Avenergy Suisse. KMU könnten sich gegenüber steigenden Energiekosten absichern – indem sie die Preise für ihre eigenen Produkte und Dienstleistungen erhöhten.

Schweizerische Gewerbezeitung: Wie steht es heute um die Versorgungssicherheit mit flüssigen Brenn- und Treibstoffen, den wichtigsten Energieträgern in der Schweiz?

Daniel Hofer: Was wir zurzeit erleben, ist keine Versorgungskrise, sondern eine preisliche Anpassung der Energieprodukte. Die Versorgung mit flĂĽssigen Brenn- und Treibstoffen ist in der Schweiz nach wie vor sichergestellt.

Der Krieg Russlands in der Ukraine wirkt sich massiv auf die Preise fĂĽr Benzin, Diesel und Gas aus. Wie werden sich diese Preise weiterentwickeln?

Das weiss ich natürlich nicht. Ich denke aber, die Preisentwicklung hängt stark vom Kriegsverlauf in der Ukraine ab und parallel auch vom Verhandlungsgeflecht USA-Iran (Atomstreit und Aufhebung der Sanktionen) kombiniert mit USA-Saudi Arabien, wo es um die Ausweitung der saudischen Ölproduktion geht.

Im Moment sind die Ölpreise relativ stabil auf hohem Niveau. Dies wird sich ändern, wenn der Krieg in der Ukraine sich einer Entscheidung nähert, diesfalls mit eher sinkenden Preisen. Gibt es vor der Entscheidung eine Eskalation in (NATO-) Nachbarländern oder durch den Einsatz von chemischen oder nuklearen Waffen in der Ukraine, wird der Preis massiv steigen, wohl gegen 200 US-Dollar pro Barrel oder darüber hinaus. In diesem Fall werden Öl und Gas aus Russland höchstwahrscheinlich mit einem Embargo belegt werden, was vor allem für die westeuropäische Energieversorgung erhebliche Folgen hätte.

Was wĂĽrde ein Verzicht auf den Import von russischem Gas fĂĽr die Energieversorgung der Schweiz bedeuten?

Da man nicht weiss, wie viel russisches Gas tatsächlich in die Schweiz kommt, kann ich darauf nicht präzis antworten. Die Schweiz ist in diesem Zusammenhang eher unbedeutend. Wichtiger ist, ob russisches Gas nach Europa, allen voran Deutschland, geliefert wird. Fallen diese Lieferungen aus, werden viele Gaskunden auf Öl und Kohle ausweichen, mit entsprechenden Preisschüben für diese Produkte. In einer solchen Situation würden die freigegebenen Pflichtlager wohl genutzt werden.

«Wir leben in einer freien Marktwirtschaft, in der die Preise für die Güter auf das Angebot und die Nachfrage reagieren. Das gilt für gute und schlechte Zeiten.»

Falls kein Ă–l und Gas mehr aus Russland nach Europa fliesst: Woher sonst sollen diese wichtigen Rohstoffe kommen?

Die Ă–lversorgung ist weniger ein Problem, da Ă–lprodukte zu Land und zu Wasser gut transportierbar sind. Im Grunde genommen kommen als Ersatzlieferanten alle anderen Ă–lproduzenten infrage.

Anders verhält es sich beim Gas. Dieses kommt hauptsächlich in Rohrleitungen nach Europa. Werden die Rohrleitungen aus Russland nicht mehr bedient, kann das fehlende Gas nicht so einfach ersetzt werden. Dazu müssten zuerst Kapazitäten für den Transport von Flüssiggas geschaffen werden, was kurzfristig innerhalb weniger Wochen oder Monate nicht möglich ist. Sind aber die Flüssiggaseinrichtungen einmal gebaut, kann das Gas grundsätzlich wie Öl von Gaslieferanten aus der ganzen Welt angeliefert werden.

KMU – nicht nur jene in der Transportbranche – werden für die Treibstoffbeschaffung noch stärker zur Kasse gebeten. Was halten Sie von Forderungen, wonach der Staat die Bürger und die KMU gegen die Auswirkungen der steigenden Energiepreise schützen soll?

Wir leben in einer freien Marktwirtschaft, in der die Preise fĂĽr die GĂĽter auf das Angebot und die Nachfrage reagieren. Das gilt fĂĽr gute und schlechte Zeiten. Staatliche Eingriffe wirken sich immer demotivierend und letztlich wohlstandshemmend aus.

Inwiefern können die Pflichtlager für die Abfederung stark steigender Energiekosten hilfreich sein?

Die Pflichtlager in der Schweiz dienen der Versorgungssicherheit und nicht der Preissteuerung.

Die Freigabe von Pflichtlagern auf europäischem oder gar globalem Niveau wirkt sich nur dann preissenkend aus, wenn eine Verknappung offensichtlich nur kurzfristig herrschen kann, zum Beispiel nach einem Unwetter. Bei einem Lieferausfall von russischem Gas oder Öl kann man aber nicht von einer kurzfristigen Verknappung ausgehen, da die Ursachen dafür politischer Natur wären, deren Beseitigung mehr Zeit in Anspruch nähme.

Wie können KMU sich selbst in Bezug auf Energiekosten absichern?

Indem sie die Preise für ihre eigenen Produkte und Dienstleistungen entsprechend erhöhen. Es gibt für Diesel und Heizöl auch Absicherungsgeschäfte, die helfen können, die Einkaufskosten berechenbarer zu machen. Solche Instrumente können für den Moment helfen, langfristig bewirken sie aber keine Kostenbegrenzung.

Kann Gas heute noch ernsthaft als mögliche Lösung für die absehbaren Energieprobleme der Schweiz bezeichnet werden?

Wenn die entsprechenden Kapazitäten für Flüssiggas gebaut werden, lässt sich eine ähnlich breit diversifizierte und sichere Versorgung mit Gas aufbauen, wie wir dies vom Öl kennen. Dies erfordert jedoch grosse finanzielle Mittel mit den entsprechenden Risiken. Wie könnte man beispielsweise sicherstellen, dass Flüssiggas-Terminals immer noch gebraucht würden, wenn plötzlich wieder günstiges Gas aus Rohrleitung zur Verfügung stünde?

«Eine Klimapolitik ist dann konsumentenfreundlich, wenn sie den Leuten die wahren Kosten der Energiewende deutlich vor Augen führt.»

Welche konkreten Erfolge kann die Erdölbranche bisher im Streben nach mehr Klimaschutz verbuchen?

Ohne Öl gibt es keinen Klimaschutz. Die Anlagen für die CO2-freie Energieproduktion werden auch heute noch zum grossen Teil mit den traditionellen Energieträgern hergestellt, an den Bestimmungsort gebracht und dort installiert.

Die Ölprodukte selber sind in den vergangenen Jahrzehnten immer sauberer geworden, sodass ihr Schadstoffausstoss wie beispielsweise Schwefeldioxid praktisch eliminiert werden konnte. Einzig die Entstehung von Kohlendioxid lässt sich beim Gebrauch der Produkte nicht verhindern. Den CO2-Ausstoss verhindern kann man nur, wenn man andere Verfahren zur Energienutzung verwendet. Einige dieser Verfahren können von den Energiefirmen der Ölindustrie bereitgestellt werden, wie beispielsweise die Verwendung von Wasserstoff als Energieträger. Es braucht aber auch eine Anpassung der Energie verbrauchenden Endgeräte. Diesen Beitrag müssen andere Industrien leisten.

Wie sieht aus Ihrer Sicht eine konsumentenfreundliche Klimapolitik aus?

Eine Klimapolitik ist dann konsumentenfreundlich, wenn sie den Leuten die wahren Kosten der Energiewende deutlich vor Augen führt. Dann können die Verbraucherinnen und Verbraucher in mündiger Weise entscheiden, welchen Preis sie für den Klimaschutz bezahlen wollen.

Bezüglich der erneuerbaren Energien ist nach wie vor nicht klar, ob sie tatsächlich langfristig Benzin, Gas und Diesel ersetzen können. Auf welche Technologie würden Sie setzen?

Wasserstoff. Wasserstoff ist so vielfältig einsetzbar wie heute das Öl und seine Derivate. Dies gilt für den Energiebereich, aber auch für die chemische Produktion und weitere Anwendungen.

Interview: Gerhard Enggist

ZUR PERSON

Daniel Hofer (61) ist Präsident von Avenergy Suisse. Der Verband vertritt die Interessen der Importeure flüssiger Brenn- und Treibstoffe. Die Mitglieder von Avenergy Suisse gewährleisten die Versorgungssicherheit mit den wichtigsten Energieträgern des Landes.

www.avenergy.ch

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