Der Bundesrat setzt bei der Altersvorsorge
2020 einseitig auf höhere Lohnbeiträge sowie auf zusätzliche
Einnahmen ĂĽber die Mehrwertsteuer. Den Nettoeinsparungen von knapp
einer Milliarde Franken stehen Mehreinnahmen von 9,5 Milliarden
Franken gegenĂĽber. Diese Mehreinnahmen steigen sogar auf ĂĽber 12
Milliarden Franken, falls sich die AHV-Finanzen schlechter als
prognostiziert entwickeln und mit der vorgeschlagenen
Interventionsklausel auch noch ein zusätzliches Lohnprozent
eingefordert wĂĽrde. Zum Vergleich: das Jahrhundertbauwerk Neat wird
rund 20 Milliarden Franken kosten. Der Bundesrat will also einzig
und alleine zur Sicherung der Altersvorsorge Jahr fĂĽr Jahr eine
halbe Neat ausgeben. Purer Wahnsinn!
Erschreckende Zahlen
Auf erschreckende Zahlen kommt man auch,
wenn man anhand konkreter Fallbeispiele (vgl. Grafik) rechnet, was
die Vorlage den einzelnen Arbeitnehmer und dessen Patron kosten
wird. Mit der anvisierten zweiprozentigen Erhöhung der
Mehrwertsteuer und dem Ausbau der 2. Säule wird es kaum
Erwerbstätige geben, die nicht eine minÂdÂestens tausendfränkige
MehrbeÂlastung hinzunehmen hätten. Auch die Arbeitgeber werden
massiv zur Kasse gebeten, was unweigerlich Lohndruck erzeugt oder
zumindest den Spielraum fĂĽr kĂĽnftige Lohnanpassungen stark
einengt.
Die hohe Mehrbelastung hat folgende GrĂĽnde:
die Mehrwertsteuer soll um zwei Prozent angehoben, das im BVG
versicherte Einkommen ausgeweitet und die Eintrittsschwelle ins BVG
gesenkt werden. Teilweise sollen die Alterssparbeiträge
substantiell erhöht werden. Indirekt gäbe es bei der Versicherung
der Risiken Invalidität und Tod einen Leistungsausbau mit
entsprechender Kostenfolge. Zudem mĂĽssten die teuren
Abfederungsmassnahmen fĂĽr die Ăśbergangsgeneration finanziert
werden.
Unsoziale Reformvorlage
Erstaunlich ist, dass fĂĽr viele Versicherte
- und speziell natĂĽrlich fĂĽr die Arbeitgeber - die Mehrkosten in
der beruflichen Vorsorge deutlich höher ausfallen würden als die
Zusatzbelastung durch die höhere Mehrwertsteuer. Besonders brisant
ist aber, dass Erwerbstätige mit tiefen Einkommen zum Teil deutlich
stärker belastet würden als Gutverdienende. Unter Federführung des
sozialdemokratischen Sozialministers Alain Berset wurde somit eine
höchst unsoziale Reformvorlage erarbeitet. Oder hat man dies etwa
ganz bewusst so in Kauf genommen, weil man davon ausgeht, dass eh
die Sozialdienste die Mehrkosten dieser Versicherten werden tragen
mĂĽssen?
«EINE HALBE NEAT, JAHR FüR JAHR - DER REINE
WAHNSINN!»
FĂĽr den sgv stellt die Reform
«Altersvorsorge 2020» wegen ihrer einseitigen Ausrichtung auf
Mehreinnahmen und den schädlichen Auswirkungen für den Konsum und
die Wirtschaft ein absolutes No-Go dar. Die klare Ablehnung erfolgt
guten Gewissens, gibt es doch in Form der Motion de Courten ein
konstruktives, funktionierendes Alternativmodell. Anstatt
konsequent auf Mehreinnahmen zu setzen, ist das Rentenalter beider
Geschlechter schrittweise dem finanziellen Mehrbedarf der AHV
entsprechend anzuheben. Dabei soll sich der Deckungsgrad des
AHV-Fonds kĂĽnftig innerhalb einer Bandbreite von 70 bis 80 Prozent
einer Jahresausgabe bewegen. Um sicherzustellen, dass dieser Wert
weder unterschritten noch ĂĽbertroffen wird, gilt es das Rentenalter
in Monatsschritten anzupassen.
Im Gegensatz zur bundesrätlichen Vorlage
ist der Vorschlag des sgv sozial und wirtschaftlich verträglich,
weil er weder Rentenkürzungen noch Mehreinnahmen nötig macht.
Ebenso ist eine echte dauerhaft wirkende Schuldenbremse darin
integriert.
Spätestens nach dem Vignetten-Nein sollte
allen klar sein, dass die Stimmberechtigten die stetigen Steuer-,
Gebühren- und Abgabeerhöhungen satthaben. Kaum vorstellbar, dass
sie bereit sein werden, eine derart teure Altersreform zu
schlucken. Der Bundesrat tut deshalb gut daran, die Vorlage
möglichst rasch von Grund auf neu zu konzipieren.
Kurt Gfeller,
Vizedirektor sgv