Publiziert am: 19.06.2020

Werden bald alle locker?

CORONA-KRISE – Heute Freitag dürfte der Bundesrat darüber informieren, wie es mit den Folgen der Pandemie weitergehen soll. Aus der Politik wurden diese Woche Forderungen laut, die bestehenden Restriktionen für die Wirtschaft aufzuheben.

Das Coronavirus scheint hierzulande weiterhin auf dem Rückzug zu sein: Noch 37 neue Ansteckungen meldete das Bundesamt für Gesundheit bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe. Dies nachdem sich die Neuansteckungen in den Tagen und Wochen zuvor auf sehr tiefem Niveau eingependelt hatten. Auch wenn die Pandemie andernorts weiter wütet und sich in China eine mutierte Version des Virus auszubreiten scheint: In der Schweiz ist das Aufatmen hörbar, dass man zurzeit die Risiken an der Gesundheitsfront anscheinend im Griff hat.

Umsätze um 20 Prozent tiefer

Anders in der Wirtschaft: Hier treten die Schäden, die der Lockdown ausgelöst hat, immer deutlicher zutage. Die Expertengruppe Konjunkturprognosen des Bundes rechnet für das laufende Jahr mit einem Rückgang des BIP von –6,2 Prozent; sie ist also etwas weniger pessimistisch als die Prognose von April 2020, wo noch mit einem Rückgang von –6,7 gerechnet worden war. Dennoch wäre dies der tiefste Wirtschaftseinbruch seit 1975.

Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) rechnet mit einem BIP-Rückgang von 5,1 Prozent. In einer KOF-Umfrage vom Mai rechneten die befragten Unternehmen damit, dass ihr Umsatz um etwa 20 Prozent sinken wird. Die wirtschaftlichen Konsequenzen der Krise treffen 11 Prozent der befragten Unternehmen so heftig, dass sie ihre Existenz als stark oder sehr stark gefährdet ansehen. Gefragt nach Restriktionen durch die Pandemie, nannten 68 Prozent der Befragten einen Rückgang der Nachfrage. 30 Prozent berichteten, dass Kunden nicht bedient respektive beliefert werden dürfen oder können. Klar ist: Die Krise schadet dem Gewerbe enorm.

Ungleichbehandlung inakzeptabel

Und damit nicht genug: Seit Mitte Juni sind die Grenzen zu den Nachbarländern wieder offen – und der Einkaufstourismus zurück. Schweizerinnen und Schweizer stürmen wie gehabt in Scharen die Läden in grenznahen Gebieten – während in der Schweiz Detailhändler und Restaurants weiterhin auf Umsätze warten und von den Behörden mit der Einhaltung von Abstandsregeln gegängelt werden, die ausserhalb gar nicht mehr zu gelten scheinen.

In Zürich, Bern, Genf und weiteren Städten kam es infolge der weltweiten Diskussion über Rassen- und Geschlechtergleichheit zu Demonstrationen mit Tausenden von Teilnehmern, die – nach wie vor geltenden Abstandsregeln zum Trotz – von der Polizei und den verantwortlichen Behörden geduldet wurden.

Dies wiederum führte zu geharnischten Reaktionen aus der Politik. «Gelten die Corona-Regeln eigentlich noch für alle?», fragte die FDP diese Woche. Und die SVP forderte den Bundesrat auf, «diese Ungleichbehandlung sofort zu beenden und sämtliche Restriktionen für Gewerbe und Wirtschaft aufzuheben.»

Es droht ein Zweiklassensystem

Die Ungleichbehandlung während der Corona-Krise ist allerdings nicht neu. Spätestens seit der Lockerung der Sortimentsbeschränkungen im Detailhandel erreichten den Schweizerischen Gewerbeverband sgv Hunderte von erbosten Reaktionen aus dem Detailhandel, weil sich Grossverteiler um behördliche Vorgaben foutierten und weiterhin Waren anboten, deren Verkauf eigentlich untersagt war. Hier scheint sich – behördlich geduldet – ein Zweiklassensystem anzubahnen, sofern das obrigkeitliche Laisser-faire anhält.

Schuldenbremse beibehalten

Im Interview mit der Gewerbezeitung (vgl. S. 2) schaut sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler auf den bisherigen Verlauf der Corona-Krise zurück und sagt: «Langfristig ist wichtig, dass sich der Bundesrat daran hält, was er in der Krise bekräftigt hat. Er muss auf unnötige Regulierungen verzichten und bestehende abbauen.» Weiter wichtig sei eine kohärente Finanzpolitik. «Hätte die Schweiz ihre einstigen Überschüsse nicht konsequent für den Schuldenabbau eingesetzt, wären heute die Mittel fürs Stemmen der künftigen Defizite nicht vorhanden.» In der Folge müssten die Schuldenbremse beibehalten und die aufgelaufenen Schulden über 10 bis 15 Jahre abgebaut werden, fordert Bigler.En

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