Publiziert am: 19.06.2020

Hinter den Kulissen

GROSSEINSATZ FÜR DEN SGV – Von KMU first bis zum «Smart Restart»: Der Gewerbeverband und seine Alliierten in den Kantonen haben in der Corona-Krise massgeblich den Takt angegeben. Diese Kooperation führte zum poli­tischen Erfolg.

Die zwölf Wochen seit dem 16. März – dem Tag, der als Beginn des Lockdowns in die Bücher eingegangen ist – sind für den Schweizerischen Gewerbeverband eine höchst intensive Zeit. Eine Zeit, die aufzeigt: Wenn sgv-Vorstand, Geschäftsstelle und die Mitglieder des Verbands – kantonale Gewerbeverbände und Branchenverbände – all ihre Energien fokussieren und einander nach Kräften unterstützen, dann werden die Interessen der Schweizer KMU ernst genommen.

Intensive Zusammenarbeit

Wegen der Corona-bedingten Verbote wird schon bald klar: Der Gewerbekongress vom 29. April in Freiburg wird ins Wasser fallen. Die Folge: Keine Neuwahl fürs Präsidium; sgv-Präsident Jean-François Rime muss verlängern. Er tut dies mit grossem Elan: Ab dem 18. März, im Wochentakt und jeweils um 7.15 Uhr morgens – die Mitglieder des sgv-Vorstands sind alle selbst Unternehmer und leisten in ihren jeweiligen Firmen und Verbänden ebenfalls einen Grosseinsatz – trifft sich das Leitungsgremium des sgv zur telefonischen Lagebesprechung. Insgesamt acht Mal in all den Wochen, in denen Corona die Lage diktiert.

Gleiches bei der Konferenz der Geschäftsführer und Sekretäre der kantonalen Gewerbeverbände. Auch sie tauschen sich regelmässig und ebenfalls früh am Morgen aus und bringen die Probleme aus den Regionen in die Gesamtsicht ein, welche die Geschäftsstelle wiederum in den politischen Prozess einspeist. Interessenkonferenzen, jetzt häufiger durchgeführt, runden das Bild ab. Es ist ein tristes Bild; grosse Teile der Wirtschaft leiden massiv, die Verzweiflung ist mit Händen zu greifen.

Viel Arbeit fĂĽr alle

Derweil arbeitet die sgv-Geschäftsstelle unter Direktor Hans-Ulrich Bigler ebenfalls auf Hochtouren. Ab dem 16. März beinahe täglich vertritt Bigler am späteren Nachmittag die gebündelten Interessen der KMU an Telefonkonferenzen mit der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und bringt dort das trübe Stimmungsbild, die Betroffenheit und die enormen Sorgen und Nöte ein, welche die Firmenvertreter ganz direkt an den sgv herantragen. Rime und Bigler repräsentieren den sgv an Sonntagen bei Treffen mit den Bundesräten Guy Parmelin, Alain Berset und Simonetta Sommaruga, um die Realitäten der KMU darzulegen.

«DIE FIRMEN SIND VÖLLIG UNVER-SCHULDET IN DIESEN RIESIGEN SCHLAMASSEL GERATEN.»

Biglers Stellvertreter Henrique Schneider und die für Finanz- und Steuerpolitik zuständige Alexa Krattinger analysieren inzwischen die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns; Arbeitsmarktkenner Dieter Kläy stellt in Rekordzeit alle relevanten Informationen rund um Corona für Arbeitgeber zusammen – worauf die Website des sgv von Interessierten regelrecht gestürmt wird. Bildungsexpertin Christine Davatz kümmert sich darum, dass Lehrlinge nicht ohne einen ordentlichen Abschluss in den Arbeitsmarkt entlassen werden; und Sozialversicherungsexperte Kurt Gfeller sondiert die Folgen des wirtschaftlichen Einbruchs für die Sozialversicherungen.

Massive Schäden – rasche Hilfe

Schon sehr bald wird klar: Der Lockdown schadet den betroffenen KMU, ja ganzen Branchen ungemein; sie brauchen dringend Hilfe. Bereits am Morgen des 16. März, noch bevor der Bundesrat den Lockdown erklärt, begrüsst die sgv-Spitze in einem Schreiben an Wirtschaftsminister Parmelin das entschlossene Handeln der Behörden ausdrücklich. Gleichzeitig fordert sie unter dem Motto «KMU first» Unterstützung in Sachen Kurzarbeit – namentlich eine Ausweitung und auch für selbstständig Erwerbende und Klein- oder Kleinstunternehmen – sowie für indirekt Betroffene wie etwa die Zahntechniker, die ebenfalls unter dem De-facto-Arbeitsverbot für Zahnärzte leiden, weil sie von einem Tag zum anderen keinerlei Aufträge mehr erhalten. Weiter weist der sgv auf die Gefahr eines drohenden Mangels an Liquidität hin und fordert, dass allen betroffenen Unternehmen, unabhängig von ihrer Rechtsform, Zugang zu Unterstützung gewährt wird. Denn eines ist klar: Die von den behördlichen Berufsverboten betroffenen Firmen sind unverschuldet in die grösste Krise seit Jahrzehnten geraten.

Parmelin reagiert rasch und lädt die Sozialpartner zu einem runden Tisch. Im Verlauf der Krise zeigen der Wirtschaftsminister und sein Parteikollege und Finanzminister Ueli Maurer viel Musikgehör für die Anliegen der KMU und setzen nötige Massnahmen zügig um. Anders als das Klavierspieler-Duett Sommaruga und Berset, die zum völlig falschen Zeitpunkt mit fragwürdigen Aussagen – «Medienabgabe für Unternehmen wird billiger» (Sommaruga) – resp. Taten: Bersets Grossauftritt im Migros-Magazin – für Kopfschütteln sorgen. Das Bekannte wird offensichtlich: SP-Vertreter sind der Wirtschaft schon nur mental sehr viel ferner als jene der Bürgerlichen. Kein Zufall, dass ausgerechnet die Gewerkschaft Unia sich lange – und zum Glück erfolglos – für ein totales Herunterfahren der Wirtschaft einsetzt.

Der Lohn des Lobbyings

Anders beim sgv: Die Erfolge seiner Interventionen lassen nicht lange auf sich warten. Die Hilfskredite für Corona-geplagte Firmen sollen erstens nicht an einen Gewinn geknüpft und zweitens zu null Prozent verzinst werden. Das Finanzdepartement will ursprünglich ein halbes bis ein ganzes Prozent Zins verlangen – «Wucher!», kommentiert sgv-Direktor Bigler und wehrt sich erfolgreich dagegen, dass die Banken damit ein Geschäft machen.

Auf dem Politparkett – die eidgenössischen Räte treffen sich ab dem 4. Mai auf dem Berner BEA-Gelände zu einer dreitägigen Sondersession samt Sondersetting – feiert der vom sgv ausgearbeitete «Smart Restart» einen Grosserfolg: FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger und CVP-Ständerat Erich Ettlin reichen Motionen ein, die vom Parlament angenommen werden. Die Lobbyarbeit des sgv hat sich gelohnt: Der «Smart Restart» ist ab Anfang Mai offizielle Politik; ab dem 11. Mai können mit dem Detailhandel und der Gastrobranche zwei vom Lockdown besonders stark betroffene Branchen ihren Betrieb endlich wieder hinauffahren. Die Wirtschaft ist auf dem Weg zurück – er wird lange dauern.

«Diese erfreuliche Entwicklung», kommentiert sgv-Direktor Bigler, «zeigt fast schon exemplarisch auf, wie die Einflussnahme der sgv – das stille Lobbying hinter den Kulissen – zum Erfolg führt.» Und nicht zuletzt dazu, dass sich auch die sgv-Spitze wieder einmal ein freies Wochenende gönnen darf. En

die POSITIONEN DES SGV zur corona-krise

Der sgv im Lead

Im Verlauf der Covid-19-Krise hat der Schweizerische Gewerbeverband die Debatte mit folgenden Ideen und entsprechenden Papieren geprägt.

«Smart Restart»: Bereits am 7. April fordert der sgv für die Zeit nach dem 26. April eine Logik des gezielten Schutzes. Besonders gefährdete Personen sollen besonders geschützt werden, während die Mehrheit der Bevölkerung, abhängig von der epidemiologischen Lage, schrittweise die gewohnten Tätigkeiten wieder aufnehmen soll.

Bottom-up und koordiniert durch den sgv legen verschiedene Branchenverbände Konzepte für die schrittweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit dem Bundesrat vor und zeigen ihm auf, wie ein «Smart Restart» gehen kann.

Agenda for Action: Der sgv fordert am 27. April – nach dem Übergang in eine Logik des gezielten Schutzes unter Berücksichtigung der epidemiologischen Lage – eine nachhaltige Entlastung der Wirtschaft, gezielte Stärkung der Rahmenbedingungen und konsequentes Vermeiden von neuen Belastungen für die kommenden Wochen und Monate.

Circuit Breaker: Eventualplanung für den Umgang mit einer allfälligen zweiten Welle. Ein erneuter Lockdown ist ebenso zu vermeiden wie eine Neuauflage des gescheiterten Experiments «staatliches Mikromanagement».

Binnenmarkt vitalisieren – international positionieren: Um möglichst rasch aus der Corona-Krise herauszukommen, aber auch um bestehende und künftige Herausforderungen zu meistern, stellt der sgv in einem Positionspapier vom 26. Mai fest: Die Schweiz braucht ein langfristiges Programm zur Vitalisierung ihres Binnenmarktes und zu ihrer internationalen Positionierung.

Das Programm orientiert sich an der Ordnungspolitik, weil diese ein Wachstum aus eigener Kraft ermöglicht. Elemente des Programms sind die fiskalpolitische Verantwortung, tiefe Steuern, der flexible Arbeitsmarkt, die Sicherung der Sozialwerke, die Stärkung der Berufsbildung, der Abbau von unnötigen Regulierungskosten sowie die Belebung der unternehmerischen Freiheit. En

www.sgv-usam.ch

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