Publiziert am: 07.03.2014

«Holz mit allen Sinnen erfassen!»

HOLZHANDWERKERIN EFZ DER FACHRICHTUNG DRECHSLEREI – Wenn es darum geht Massivholz zu Einzelstücken oder Serien­produkten zu verarbeiten, dann sind Fingerfertigkeit, Geduld und Ausdauer der Drechslerin gefragt.

Es riecht nach frischem Holz in der Werkstatt der Drechslerei Bietenholz + Müller GmbH in Wil (SG). Feiner Holzstaub hängt in der Luft und überzieht als dünne Schicht Kehl-, Hobel- und Fräsmaschine. Die unzähligen von der Decke herabhängenden Schablonen und Sprossenmuster sind weitere Indizien dafür, dass hier mit Massivholz gearbeitet wird. Konzentriert steht eine kleine, robuste Frau an der Drehbank. Mit geschmeidigen, sicheren Bewegungen bearbeitet sie millimetergenau mit der Röhre die Kante des rotierenden Werkstücks, so dass die Späne fliegen. «Dies ist eine Geduld- und Konzentrationsaufgabe. Ich muss 150 Abdeckhütchen für ein Treppengeländer, sogenannte Rosetten, drechseln», erklärt Miriam Foster.

Lebendiges Holz

Holz ist das Element der jungen Frau, die hier ihre zweite Ausbildung als Drechslerin absolviert. «Ich habe schon eine Schreinerlehre hinter mir, deshalb konnte ich hier gleich im zweiten Lehrjahr einsteigen.» Im ­Vergleich zur Schreinerin, wo sie viel mit Holzwerkstoffen gearbeitet habe, könne sie hier mit Massivholz, einem lebendigen Material arbeiten. «Das Arbeiten mit den Händen, die unmittelbare Nähe zum Werkmaterial ist mir sehr wichtig. Als Drechslerin muss ich auf das Holz eingehen, es fühlen, beurteilen, um es dann entsprechend verarbeiten zu können. Ich muss das Holz mit allen Sinnen begreifen und das macht diesen Beruf so einzigartig und spannend», erklärt die 27-Jährige.

«Man produziert zuerst viel Brennholz.»

Genau so wichtig wie die Handfertigkeit seien bei dieser Tätigkeit das räumliche Vorstellungsvermögen und die Fingerfertigkeit. «Ich habe einen zweidimensionalen Plan und muss mir dann vorstellen, wie das fertige Werkstück aussieht. Dies erfordert nicht nur ein ausgezeichnetes räumliches Vorstellungsvermögen, sondern auch ein sensibles inneres Auge», betont die aus dem zürcherischen Rikon stammende Lernende. Die grösste Herausforderung sei, die Formen im Kopf mit den Händen umzusetzen. «Man muss viel Gefühl für das Holz entwickeln. Am Anfang braucht es Geduld und Übung bis man die Bewegung für die Drehung des Holzes intus hat. Diese Fertigkeit muss man sich selbst beibringen, erfahren und ausloten. Deshalb produziert man zuerst viel Brennholz – aber hat man den Bogen einmal raus, dann macht es richtig Spass», lacht die junge Holzhandwerkerin. «Diese typischen Drehbewegungen haben auch etwas sehr Meditatives an sich.»

Kreativität ausleben

Ihr Beruf sei abwechslungsreich und spannend und biete immer wieder neue Herausforderungen. «Was aus Massivholz hergestellt wird, egal, ob Serien für die Industrie oder indivi­duelle Werkstücke für den Privatkunden – alles wird bei uns entworfen, geplant und produziert.» Span um Span nimmt der Rohling allmählich seine Form an und wird zum Endprodukt verarbeitet: Tisch- und Stuhlbeine, Treppensprossen, Säulen und andere Innenausbauteile, Schalen, Werkzeugriffe, Kunstobjekte und vieles mehr. Gerade bei freien Arbeiten komme der kunsthandwerkliche Aspekt dieses Berufs besonders zum Ausdruck: «Da kann ich meiner Kreativität freien Lauf lassen und meine holzigen Ideen verwirklichen», so die junge Frau, die noch unzählige Projekte in der Schublade hat. Dazu gehören auch die Schachfiguren sowie eine Kugelbahn für den Auftritt der Kleinstberufe an der ersten Schweizer Berufsmeisterschaft Swiss Skills Bern 2014 vom 17. bis 21. September. Nicht nur die Erfahrungen in der Praxis, sondern auch der theoretische Unterricht an der Berufsschule in Brienz machen einen wichtigen Teil ihrer Ausbildung aus: «Hier bekommen wir das Fachwissen vermittelt, das uns vom Heimwerker unterscheidet. Auch der Austausch mit anderen Lernenden von verwandten Berufen ist wertvoll.» In den Überbetrieblichen Kurse könne sie seltene Arbeitstechniken erlernen und sich ein fundiertes Knwo-how aneignen.

«Mein Bruder wusste nicht, welchen Beruf ich hier erlerne!»

Ihr Lehrmeister Ruedi König freut sich über seine motivierte Lernende. «Solange es noch junge Leute gibt, die mit einer solchen Leidenschaft diesen Beruf erlenen, wird dieses Gewerbe nicht aussterben. Gerade Frauen interessieren sich sehr dafür.» Obwohl die Verarbeitung von Massivholz im Sinne von Nachhaltigkeit und «zurück zur Natur» im Trend liege, müsse er in der breiten Öffentlichkeit noch besser verankert sein, ist Miriam Foster überzeugt. «Es wäre toll, wenn die Leute vermehrt Einblick in unser schönes Handwerk erhalten. Mein Bruder wusste nicht, welchen Beruf ich hier erlerne.»

Corinne Remund

Schweizer Macher

DOKUMENTATION

Zentral für das Projekt «Traditionelles Handwerk mit Zukunft» ist eine Dokumentation, die gemeinsam vom sgv und dem Kurszentrum Ballenberg im Rahmen der Publikationsreihe «Handwerk» herausgegeben wird. Dabei werden lesernah und attraktiv bis zu 20 traditionelle handwerkliche Berufe in Wort und Bild vorgestellt. Die Protagonisten sind Lernende oder junge Ausgelernte. Aus ihrer Sicht erhalten die Leser einen vielfältigen und lebendigen Einblick in eine nichtalltägliche Arbeitswelt. Die Dokumentationen werden am Stand «Traditionelles Handwerk mit Zukunft» an den SwissSkills Bern 2014 sowie auf dem Ballenberg und bei diversen Berufsbildungsveranstaltungen abgegeben. Stellvertretend für die rund 20 Kleinstberufe werden hier die Holzhandwerkerin EFZ Fachrichtung Drechslerei sowie Fachrichtung Weissküferei vorgestellt.

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