Der schnelle Wandel von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik stösst unser Milizsystem an seine Grenzen und macht es reformbedĂĽrftig. Unternehmerische FĂĽhrungskreise zeigen weniger Interesse fĂĽr politisches oder militärisches Engagement. Untersuchungen belegen, dass das Gewerbe in Gemeinde- und Kantonsparlamenten, aber auch im Kader der Armee immer noch das RĂĽckgrat der Milizpolitik ist. Im Parlament stellt das Gewerbe eine einflussreiche Âberufstätige Lobbygruppe.
Dem Milizsystem verdanken wir Bürgernähe, die durch Mittelstand und Gewerbe erhalten wird. Eine Professionalisierung verliert Sachverstand und Erfahrungen aus dem Beruf. Unser politisches Gemeinwohl einer Berufspolitikerklasse zu überlassen, stellt unsere Politkultur in Frage.
Auf dem Boden bleiben …
Skandale in europäischen Berufsparlamenten zeigen, wie weit weg die Politikklasse von den Nöten und Sorgen der Bevölkerung lebt. Mit Blick auf die Globalisierung und Internationalisierung der Wirtschaft und der fortschreitenden WurzelÂlosigkeit ist die Politik keine Alternative zur beruflichen oder militärischen Karriere mehr. Fähige Vertreter aus der Wirtschaft sind nicht mehr bereit, auf berufliches Einkommen, Karriere und soziales Prestige zu verzichten. Ein Milizmandat ist nur noch fĂĽr jene attraktiv, die auf eine schnelle «politische Ersatzkarriere» aus sind. Gutbezahlte Bei- und Verwaltungsratsmandate oder Lobbyistenjobs winken.
Dies ist besonders bei jungen linken Politengagierten zu beobachten, die noch nie im Beruf arbeiteten oder Verantwortung für Arbeitsplätze trugen. Zu viele leisten beruflich wenig und sitzen bereits im Parlament. Gewerbler und Kleinunternehmer hingegen müssen ihr Milizamt mit beruflichen Herausforderungen verbinden. Steigende Anforderungen und administrativer Aufwand machen es kaum mehr möglich, neben einem Milizmandat beruflich erfolgreich zu sein. Das bewährte Milizsystem «Bürger und Soldat» ist ebenfalls in Frage gestellt. Das VBS geht für Studenten und Absolventen der Fachhochschulen neue Wege der Entlastungen und des Entgegenkommens. Es gilt, auch für benachteiligte Berufslehrabsolventen bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, um terminlich bei Rekrutenschulen und Weiterausbildungsdiensten auf der Augenhöhe mit den Studenten zu sein.
… er ist und bleibt golden
Das Gewerbe erkennt, dass militärische Ausbildung fĂĽr KMU in Bezug auf FĂĽhrungsausbildung immer noch eine grosse Bedeutung hat. Die NZZ titelte kĂĽrzlich: «Die BerufsÂlehre ist eine Lebensschule.» Dies ist zentral, weil handwerkliche Berufe an sozialem Ansehen verlieren. Handwerk und Gewerbe aber werden immer goldenen Boden haben angesichts der Ăśberakademisierung von Gesellschaft und Berufswelt. Die Lehrstellenangebotskrise der 90er- Jahre ist vorbei. Heute kämpfen Betriebe mit Nachwuchssorgen. 2018 hat das Lehrstellenangebot gegenĂĽber dem Vorjahr um 28 Prozent Âzugenommen. Das Gewerbe ist die treibende Kraft, die den Wert der Berufsbildung praktisch und politisch fördert und international an die Spitze bringt. Nicht umsonst hat die Schweiz weltweit eine der tiefsten Jugendarbeitslosigkeit. Das Gewerbe lebt seine Verantwortung.
Roger E. Schärer, Feldmeilen