Publiziert am: 21.02.2014

Eine Reise ins Ungewisse

ZUWANDERUNGSSTOPP – Nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative: Spitzenvertreter aus der Hotel-, Gastro-, Bau- und Dienstleistungsbranche sehen die SVP in der Pflicht.

Eine Mehrheit der Schweizer StimmbĂŒrger hat sich am 9. Februar – wenn auch nur knapp – fĂŒr die von der SVP lancierte Masseneinwanderungsinitiative ausgesprochen. WĂ€hrend landauf, landab Wehklagen zu vernehmen und Schuldzuweisungen herumgereicht werden und das europĂ€ische Ausland mit Drohungen nicht spart, schauen hiesige KMU-Vertreter nach vorne.

Die Gewerbezeitung fĂŒhlt in verschiedenen, von der Zuwanderung abhĂ€ngigen Branchen den Puls und fragt deren Vertreter: Mit welchen Schwierigkeiten rechnen Sie fĂŒr Ihre Branche nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative? Welche konkreten Anforderungen stellen Sie an die Umsetzung? Was erwarten Sie vom Bundesrat, resp. was soll die Regierung nun tun? Und welche Erwartungen haben Sie an die siegreiche SVP?

Drohender Sympathieverlust

Christoph Juen, CEO hotelleriesuisse: «Wir rechnen mit Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von auslĂ€ndischen ArbeitskrĂ€ften, die wir angesichts des Anteils an BeschĂ€ftigten von rund 45 Prozent dringend benötigen. SchwerfĂ€llige Bewilligungsverfahren, administrative Hindernisse und zu wenig BranchennĂ€he der zentralen Bewilligungsbehörden in Bern werden die Personalkosten erhöhen und damit die WettbewerbsfĂ€higkeit gefĂ€hrden. Die Hotel- und Tourismusbranche riskiert zudem, unter einem allgemeinen Sympathieverlust der Schweiz im benachbarten Europa zu leiden. Es wĂ€re verheerend, wenn wir deswegen nun StammgĂ€ste an die auslĂ€ndische Konkurrenz verlieren wĂŒrden.

Wir fordern genĂŒgend hohe Kontingente fĂŒr auslĂ€ndische ArbeitskrĂ€fte zugunsten der Hotel- und Tourismusbranche sowie ein unbĂŒrokratisches Bewilligungsverfahren, damit die Hoteliers auch auf allfĂ€llige kurzfristige Buchungserfolge kurz vor Saisonbeginn noch mit Nachrekrutierungen unternehmerisch reagieren können.

Oberstes Ziel muss eine Umsetzung mit Augenmass nach den BedĂŒrfnissen der Wirtschaft sein, welche auch branchenspezifischen BedĂŒrfnissen wie jenen der Hotel- und Tourismuswirtschaft Rechnung trĂ€gt. Ebenso wichtig ist die Forderung, dass der Bundesrat den offensichtlichen Widerspruch zwischen der Kontingentbewirtschaftung, welche nun das Schweizer Volk knapp gefordert hat, und der PersonenfreizĂŒgigkeit im VerhĂ€ltnis Schweiz–EU ohne KollateralschĂ€den – das heisst ohne GefĂ€hrdung des ganzen bilateralen Wegs – bereinigen kann.

Die SVP muss nun konkret zeigen, wie die neue Kontingentwirtschaft nicht nur wirtschaftsfreundlich ausgestaltet werden kann, sondern wie die Schweizer Volkswirtschaft auf ihrem bisher eingeschlagenen erfolgreichen bilateralen Weg mit der EU keinen Scherbenhaufen erleidet.»

Umsetzung mit Augenmass

Klaus KĂŒnzli, PrĂ€sident GastroSuisse: «Mit einem traditionell hohen AuslĂ€nderanteil von rund 40 Prozent ist das Gastgewerbe sehr stark auf auslĂ€ndische Mitarbeitende angewiesen. Die RĂŒckkehr zum Kontingente-System wird die Rekrutierung von Mitarbeitenden stark erschweren und bĂŒrokratisieren. Wir befĂŒrchten eine deutliche Verschlechterung gegenĂŒber der heutigen Situation. Vor allem kleine und mittelgrosse Betriebe dĂŒrften gegenĂŒber den Grossunternehmen anderer Branchen kĂŒnftig einen schweren Stand haben.

FĂŒr die Branche ist es entscheidend, dass in Zukunft ausreichend grosse Kontingente zur VerfĂŒgung stehen. FĂŒr das Gastgewerbe mĂŒsste eine bestimmte Quote reserviert sein, und die Kriterien fĂŒr den InlĂ€ndervorrang dĂŒrfen nicht zu streng sein. Nur so können personelle EngpĂ€sse vor allem wĂ€hrend der Hochsaison vermieden werden.

Wir wĂŒnschen uns eine Umsetzung mit Augenmass. Als grösster gastgewerblicher Verband wollen wir mitreden können und fordern, dass GastroSuisse in der vom Bundesrat angekĂŒndigten Arbeitsgruppe vertreten sein wird. Das neue System darf weder Branchen noch ArbeitskrĂ€fte ­bevorzugen. BegrĂŒndeter Familiennachzug muss ausserhalb der Kontingente stattfinden.

Das Kontingente-System darf nicht zum BĂŒrokratie-Monster werden! Die Anforderungen an den InlĂ€ndervorrang mĂŒssen handhabbar sein. Wir erwarten von der SVP, als Partei der Wirtschaft, dass sie sich einsetzt fĂŒr eine KMU-freundliche Lösung, welche das Gewerbe nicht benachteiligt.»

Pfeiler des Wohlstands in Gefahr

Urs Berger, PrĂ€sident Schweizerischer Versicherungsverband SVV: «Der offene Arbeitsmarkt und die Wirtschaftsbeziehungen mit der EU im Rahmen der Bilateralen haben viel dazu beigetragen, dass die Schweiz gut durch die Weltwirtschaftskrise der letzten Jahre gekommen ist. Diese wichtigen Pfeiler unseres Wohlstandes sind nun gefĂ€hrdet. Das kann sich ungĂŒnstig auf die Versicherungswirtschaft auswirken, da sie sich parallel zum Wohlstandsniveau entwickelt. Die VerfĂŒgbarkeit von hochqualifizierten FachkrĂ€ften ist fĂŒr Versicherungsunternehmen einer der HauptgrĂŒnde, sich in der Schweiz niederzulassen. Die WiedereinfĂŒhrung von Kontingenten ist ein RĂŒckschritt und kann sich negativ auf die StandortattraktivitĂ€t des Versicherungsplatzes Schweiz auswirken. Die Versicherungsbranche erwartet fĂŒr die Zukunft einen FachkrĂ€ftemangel und hat bereits jetzt mehr als 1200 offene Stellen zu besetzen. Die Schweizer Versicherungsindustrie ist dringend darauf angewiesen, ArbeitskrĂ€fte auf dem internationalen Arbeitsmarkt rekrutieren zu können. Allenfalls mĂŒssen Leistungen, die wegen mangelnder ArbeitskrĂ€fte nicht mehr angeboten werden können, extern eingekauft werden, unter UmstĂ€nden im Ausland.

Die Umsetzung der Initiative muss so rasch wie möglich erfolgen. Denn Unsicherheit wirkt sich ungĂŒnstig auf wirtschaftliche AktivitĂ€ten und Investitionen aus. Entstehende Nachteile fĂŒr den Wirtschaftsstandort Schweiz mĂŒssen durch eine angemessene und zweckmĂ€ssige Umsetzung der Initiative abgefedert werden. Insbesondere gilt es, die BĂŒrokratie, die Kontingentierungen mit sich bringen, auf einem Mindestmass zu halten.

Ich erwarte vom Bundesrat, dass er unsere Beziehungen zur EU so rasch wie möglich klÀrt und die Initiative mit Augenmass umsetzt. Insbesondere sollen schnell auch wieder positive wirtschaftliche Akzente gesetzt werden können! Jetzt ist die SVP in der Pflicht, bei der konkreten Ausgestaltung des Gesetzestextes und bei der Umsetzung konstruktive VorschlÀge zu machen.»

Fokus auf StabilitÀt

Werner Messmer, ZentralprĂ€sident Schweizerischer Baumeisterverband SBV: «Das Unangenehmste ist fĂŒr uns, dass wir so quasi eine Reise ins Ungewisse antreten. Niemand weiss, was auf uns zukommen wird. Dies fĂŒhrt logischerweise zu Verunsicherung. Wir sind aber davon abhĂ€ngig, dass die Schweizer Wirtschaft gut lĂ€uft. Ich hoffe, es wird keinen Einbruch in der Wirtschaft oder gar einen RĂŒckgang geben.

Der Fokus muss weiterhin auf der WirtschaftsstabilitĂ€t liegen. Es muss eine Lösung gefunden werden, die branchenĂŒbergreifend zufriedenstellt. Es darf nicht sein, dass einzelne Branchen darunter leiden, dass zu wenig ArbeitskrĂ€fte zur VerfĂŒgung stehen.

Vom Bundesrat und vom Parlament erwarte ich vor allem, dass ein Weg zurĂŒck zur Vernunft gefunden wird. Es ist wichtig, dass die Regierung Schritt fĂŒr Schritt eine Lösung sucht, dass diese fĂŒr alle Beteiligten stimmt und vor allem, dass die Wirtschaft nicht geschwĂ€cht wird.

Ich zweifle nicht daran, dass die SVP nicht die Absicht hat, den Standort Schweiz zu schwĂ€chen. Es ist essentiell, dass die emotionalen Bedenken der Bevölkerung nun auf die richtigen Wege geleitet werden. Wir dĂŒrfen nicht vergessen, dass die Schweizer Wirtschaft vom Export abhĂ€ngig ist und dieser wiederum von unseren Beziehungen zum ĂŒbrigen Europa.»

Umfrage: Stéphanie Jenzer

«NIEMAND WEISS, WAS AUF UNS ZUKOMMEN WIRD.»‚Werner Messmer, Baumeisterverband

«KMU DÜRFTEN GEGENÜBER GROSsUNTERNEHMEN ANDERER BRANCHEN EINEN SCHWEREN STAND HABEN.»‚Klaus KĂŒnzli, GastroSuisse

«ES WÄRE VERHEEREND, STAMMGÄSTE AN DIE AUSLÄNDISCHE KONKURRENZ ZU VERLIEREN.»‚Christoph Juen, hotelleriesuisse

«NUN GILT ES, DIE KONTINGENTIERUNGS BÜROKRATIE AUF EINEM MINDESTMASS ZU HALTEN.»‚Urs Berger, Versicherungsverband

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