Publiziert am: 21.02.2014

Kontinuität in Lausanne

DINO VENEZIA & PIERRE-ANDRÉ MEYLAN – Der abtretende PrĂ€sident des Centre Patronal (CP) und sein designierter Nachfolger im GesprĂ€ch.

Schweizerische Gewerbezeitung: Welche Auswirkungen wird die Abstimmung vom 9. Februar kurz-, mittel- und langfristig haben?

  Dino Venezia: Ich kann diese Frage nur mit einem grossen Seufzer beantworten, weil es noch sehr viele Unbekannte gibt. An Reaktionen hat es in ganz Europa wirklich nicht gefehlt, auch nicht im Bereich der Hochschulen wie der Lausanner ETH. Es geht nun darum, richtig zu handeln. Ich hoffe, dass die SVP zu ihrem Versprechen steht und die Umsetzung der Kontingente «unter BerĂŒcksichtigung der wesentlichen Interessen der Wirtschaft» erfolgt, wie dies die Initianten ausdrĂŒcklich festhalten.

  Pierre-AndrĂ© Meylan: Ich bin sehr enttĂ€uscht, aber nicht sonderlich ĂŒberrascht. Es wird wichtige Änderungen geben, doch sicher keine Katastrophe. Die Unternehmen werden neue Fussfesseln bekommen. Das dĂŒrfte bei einigen Firmen bewirken, dass sie ihre neuen Projekte jenseits der Grenzen realisieren. Diverse Uhrenfirmen aus dem VallĂ©e de Joux könnten dem Beispiel der Patek Philippe SA folgen, die bereits ein neues Atelier im benachbarten Frankreich eingerichtet hat. Generell lĂ€sst sich sagen, dass sich die Situation fĂŒr die Grenzregionen, die bislang keine Kontingente kennen, einschneidend verĂ€ndern dĂŒrfte.

Welche Probleme dĂŒrften sich aus der Sicht der Firmenleitungen stellen?

  Venezia: Die Schweiz muss natĂŒrlich mit BrĂŒssel verhandeln. Erst danach wird sich weisen, wo Änderungen fĂ€llig sind. Ich fĂŒrchte allerdings, dass die administrative Belastung steigen wird. In der Abstimmungskampagne war das fĂŒr uns ein wichtiges Nebenthema. Auch diesbezĂŒglich haben die Initianten Versprechungen gemacht, die wir nun realisiert sehen möchten. Eine Studie des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv zu den Kosten der BĂŒrokratie zeigt, dass die Gefahr sehr gross ist. Ebenso wichtig ist die Frage der flankierenden Massnahmen. Die Linke wirft nun Wirtschaft und Politik vor, dass diese nicht genĂŒgend verschĂ€rft worden seien. Sollen wir sie nun – nach dem Wegfall der PersonenfreizĂŒgigkeit – abschaffen? Das wĂ€re eine absurde Folge des Volksentscheids! Wir haben im Tessin gesehen, dass das Fehlen solcher Massnahmen auf kantonaler Ebene ĂŒble Folgen haben kann.

  Meylan: FĂŒr die KMU ist entscheidend, dass der Markt die Nachfrage bestimmt. Ich nenne ein Beispiel aus der Medtech-Branche: wenn ein Kunde die Kosten fĂŒr die Zulassung eines Produktes in einem Drittland wie etwa in Ungarn zusĂ€tzlich tragen muss, so handelt es sich um betrĂ€chtliche Summen. Wenn wir ihn zu der Homologisierung zwingen, schaffen wir eine Situation, in der die WettbewerbsfĂ€higkeit kĂŒnftig nicht mehr nur durch den Preis bestimmt wird. Damit steht die wirtschaftliche AttraktivitĂ€t unseres Landes auf dem Spiel.

Auf welche Bereiche wird sich das Centre Patronal in Bundesbern kĂŒnftig konzentrieren, und wo liegen die Schwerpunkte des Lobbyings?

  Venezia: Im Vordergrund steht fĂŒr uns weiterhin die gewohnte TĂ€tigkeit, also die Vernehmlassungen und die Teilnahme an der allgemeinen Meinungsbildung. Wir wollen die Öffentlichkeit aber vermehrt auf Deutsch ansprechen und unsere Dienstleistungen den Branchenorganisationen anbieten oder ihre Interessen direkt vertreten. Schon heute tun wir dies fĂŒr mehr als 20 VerbĂ€nde, hauptsĂ€chlich in den Bereichen Luftfahrt, Zigarettenproduktion und Mechanik. Wenn ein waadtlĂ€ndischer Verband den kantonalen Rahmen sprengt und regional oder gar gesamtschweizerisch wird, können wir ihm eine Plattform bieten. Auf keinen Fall wollen wir aber den Berner Kanzleien oder anderen wirtschaftlichen Dachorganisationen langjĂ€hrige Kunden abspenstig machen.

  Meylan: Wichtig ist zu wissen, dass das CP keiner Partei oder Ideologie verpflichtet ist. Wir sind ein Dienstleister fĂŒr Unternehmen und Organisationen.

Welche Projekte stehen derzeit an?

  Venezia: An Arbeit fehlt es uns wirklich nicht. Ein wichtiges Gebiet ist derzeit die Berufsbildung. Zudem gibt es in einem Land, in dem die GesetzesmĂŒhlen praktisch ununterbrochen mahlen, immer viele schwergewichtige Dossiers. Allein auf fiskalischer Ebene gibt es etliches, was im Bundestopf am Schmoren ist; so etwa die Erbschaftssteuer, die Pauschalbesteuerung und die Revision des Steuerstrafrechts. Die Letztere scheint niemanden zu interessieren – obwohl sie schwerwiegende Folgen haben könnte! Wichtig sind fĂŒr uns aber auch die Kampagnen gegen den Mindestlohn und die Ecopop-Initiative. Bei diesem Volksbegehren hoffe ich, dass das Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative nun zu einem Nein fĂŒhren wird. So erging es schon der 1:12-Initiative, nachdem Minders Abzocker-Vorlage angenommen worden war. Wir mĂŒssen der Bevölkerung klarmachen, dass das Anliegen des Volksbegehrens bereits ausreichend berĂŒcksichtigt wurde.

Sie setzen sich energisch gegen den jetzigen Entwurf der Kartellrevision ein. Was wollen Sie erreichen?

  Venezia: Das ist eine höchst komplexe Geschichte, nicht zuletzt deshalb, weil die parlamentarische Behandlung in vollem Gang ist. Momentan wird in den Kommissionen gerungen, Artikel um Artikel. Entsprechend ist es noch unmöglich zu sagen, ob man das Gesetz als Ganzes oder nur einzelne Teile davon ablehnen soll. Fortsetzung folgt


Herr Meylan, was hat Sie bewogen, das CP-PrĂ€sidium zu ĂŒbernehmen?

  Meylan: Ich habe ein kleines Unternehmen gefĂŒhrt und habe mich – wie mein Vater auch – dabei immer in den BranchenverbĂ€nden engagiert. Vor 25 Jahren wurde ich vom Sekretariat angefragt, ob ich nicht im Stiftungsrat des CP tĂ€tig sein möchte. Ich sagte zu – und bin heute gemessen an der Amtszeit einer der Ältesten. Auch die Verbandsarbeit auf eidgenössischer Ebene ist mir nicht fremd: vor zehn Jahren war ich an der Entstehung des Groupement suisse de l’industrie mĂ©canique beteiligt, das aus dem WaadtlĂ€nder Verband hervorging und heute eine wichtige Sektion von Swissmechanic ist. RĂŒckblickend muss ich sagen, dass ich dem CP und seinen Anliegen stets mit viel Respekt begegnet bin, auch wenn ich nicht immer mit allen Positionierungen einverstanden war. Man hat mir ĂŒbrigens schon mal das PrĂ€sidentenamt angeboten; ich musste damals jedoch ablehnen, weil ich das PrĂ€sidium einer Regionalbank – Raiffeisen – ĂŒbernahm, die ein anspruchsvolles Expansionsprojekt lancieren wollte.

  Venezia (lacht): Das hat uns einen Strafaufschub von acht Jahren gegeben! Im Ernst: FĂŒr mich kommt die Ablösung zum richtigen Zeitpunkt. Ich werde dieses Jahr 70 Jahre alt und gebe neben dem Amt beim CP im kommenden Mai auch das VizeprĂ€sidium des sgv ab. Die operative Verantwortung fĂŒr mein TreuhandbĂŒro wird kĂŒnftig eine Direktorin tragen. Alle diese Schritte habe ich sorgfĂ€ltig geplant, damit der Übergang einigermassen harmonisch verlĂ€uft. Das CP soll jedenfalls kein Zentrum der wirtschaftlichen Gerontokratie, der Herrschaft der Alten, werden (schmunzelt). Die Überalterung ist allerdings ein PhĂ€nomen, dem wir den Kampf ansagen sollten, denn im Alter hat man hĂ€ufig schlicht zu viel Zeit. Beim CP war die Linie immer klar: solange man beruflich aktiv ist, ist die Alterslimite kein Problem.

Herr Meylan, was möchte Sie von Dino Venezia «erben»?

  Meylan: Ich hĂ€tte gerne seine Klasse und seine Gelassenheit! Was die GrundsĂ€tze betrifft, so gibt es kein Problem, weil wir beide echte Liberale sind. Im Zweifelsfall sind ja noch die Mitglieder der CP-GeschĂ€ftsleitung als «TempelwĂ€chter» da. Denn der PrĂ€sident ist und bleibt ein Milizler!

Interview: François Othenin-Girard

«WIR WOLLEN DIE ‹ÖFFENTLICHKEIT VERMEHRT AUF DEUTSCH ANSPRECHEN.»‚Dino Venezia, scheidender ‹PrĂ€sident Centre Patronal

«VERBANDSARBEIT AUF EIDGENÖSSISCHER EBENE IST MIR NICHT FREMD.»‚Pierre-AndrĂ© Meylan, designierter PrĂ€sident Centre Patronal

DAS CENTRE PATRONAL

Lausanne und Bern

Das Centre Patronal ist eine Wirtschaftsorganisation im Dienst der Unternehmungen. Nebst der FĂŒhrung des Sekretariats des WaadtlĂ€ndischen Arbeitgeberverbandes (FĂ©dĂ©ration patronale vaudoise) betreut es ĂŒber 150 BerufsverbĂ€nde- und organisationen. Schon seit rund 40 Jahren verfĂŒgt das Centre Patronal auch ĂŒber eine Niederlassung in Bern. Der Standort an der Kappellenstrasse 14 in Bern bietet gesamtschweizerischen Berufs- und Wirtschaftsorganisationen sowie wirtschaftlichen Interessenvereinigungen Dienstleistungen im Verbandsmanagement an und unterhĂ€lt ein Kompetenzzentrum Arbeitsrecht.

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